ich werde dir vergeben

die einladung

dein lebensweg

die drei bäume

es hilft, dann und wann zurückzutreten

zeit, handeln und angst

dein wille

mit ganesh und guru per du

der buddha und der wissenschaftler

der verzagte baumwollfaden

das schöne herz

communio

ein besonderes geschenk

in der u-bahn

hinter den dingen

der lange marsch

fluchtwege

liebe und gleichheit

schalten sie ihre taschenlampe aus

...eine frau läuft über wasser,

gedichte

bei der gestapo

glück oder unglück?

ein lichtblick

suche nichts als ein reines, einfaches entsinken

von der religion

während wir schlafen,

wir leiden unmengen von schmerz...

denk dir ein bild...

nur im alleinsein ist unschuld

wie man tag und nacht unterscheidet

geh, verlass die heimat

der gefangene löwe

der bauchnabel

das kleine bäumchen

der kürzere weg

spuren am weg

himmel und hölle

warum erkennen wir es nicht?

die schuldfrage

was ist die ewige wahrheit

verborgen

von der liebe

angelus silesius

befreiung von unwissenheit und leid

angst blockiert den schöpferischen unternehmungsgeist

raum

der neue freund

warum bist du nicht sussja geworden?

mit gott zu mittag gegessen...

wähle immer wieder gott

hindernisse auf dem weg zum glück

ich werde dir vergeben

die worte sind so klein,
aber ein universum verbirgt sich in ihnen.
wenn ich dir vergebe,
werden all die fesseln aus ärger,
schmerz und traurigkeit,
die sich um mein herz gelegt haben,
verschwunden sein.
wenn ich dir vergebe,
wirst du mich nicht länger definieren.
du hast mich bemessen und beurteilt
und entschieden,
dass du mich verletzen kannst.
ich habe nicht gezählt.
aber ich werde dir vergeben
weil ich doch zähle,
weil ich doch wichtig bin.
ich bin größer als das bild,
das du von mir hast.
ich bin stärker,
ich bin schöner
und ich bin unendlich viel wertvoller
als du mich gedacht hast.
ich werde dir vergeben.
meine vergebung ist kein geschenk,
das ich dir schenke.
wenn ich dir vergebe,
wird meine vergebung
ein geschenk sein,
das sich mir schenkt.

ein mensch

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die einladung


es interessiert mich nicht, womit du deinen lebensunterhalt verdienst.
ich möchte wissen, wonach du innerlich schreist und ob du zu träumen wagst, der sehnsucht deines herzens zu begegnen.
es interessiert mich nicht, wie alt du bist.
ich will wissen, ob du es riskierst, wie ein narr auszusehen, um deiner liebe willen, deiner träume willen und für das abenteuer des lebendigseins.
es interessiert mich nicht, welche planeten im quadrat zu deinem mond stehen.
ich will wissen, ob du den tiefsten punkt deines eigenen leides berührt hast, ob du geöffnet worden bist von all dem verrat oder ob du zusammengezogen und verschlossen bist vor angst vor weiterer qual.
ich will wissen, ob du mit dem schmerz - meinem und deinem - dasitzen kannst, ohne zu versuchen, ihn zu verbergen oder zu mindern oder ihn zu beseitigen.
ich will wissen, ob du mit freude - meiner und deiner - dasitzen kannst von den fingerspitzen bis zu den zehenspitzen, ohne uns zur vorsicht zu ermahnen, zur vernunft oder die grenzen des menschseins zu bedenken.
es interessiert mich nicht, ob die geschichte, die du erzählt hast, wahr ist.
ich will wissen, ob du jemanden enttäuschen kannst, um dir selber treu zu sein. ob du den vorwurf des verrats ertragen kannst und nicht deine eigene seele verrätst.
ich will wissen, ob du vertrauensvoll sein kannst und von daher vertrauenswürdig und ob du dein leben aus gottes gegenwart speisen kannst.
ich will wissen, ob du mit dem scheitern - deinem und meinem - leben kannst und trotzdem am rande des sees stehen bleibst und zu dem silber des vollmonds rufst: "ja!"
es interessiert mich nicht, zu erfahren, wo du lebst und wieviel geld du hast.
ich will wissen, ob du aufstehen kannst nach einer nacht der trauer und verzweiflung, erschöpft und bis auf die knochen zerschlagen und tust, was für die kinder getan werden muss.
es interessiert mich nicht, wo oder was oder mit wem du gelernt hast.
ich will wissen, was dich von innen hält, wenn sonst alles wegfällt.
ich will wissen, ob du allein sein kannst und in den leeren momenten wirklich gern mit dir zusammen bist.

ein mensch

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dein lebensweg

niemand kennt den weg, den du vor dir hast. noch nie ist jemand diesen weg gegangen, und niemals wird ein anderer diesen weg gehen, denn es ist dein weg. er ist so einmalig, wie du einmalig und einzigartig bist. ja, du bist einzigartig und darfst mit deinem leben einen wertvollen beitrag schenken auf deine ganz besondere einmalige art. es ist deine wahre bestimmung, um die dein herz weiß.

so gehe deinen weg und gehe ihn auf deine einmalige art. aber versuche nicht, möglichst schnell am ziel zu sein. denn es gibt kein ziel. der weg ist das ziel. und das ziel ist nur das ende des weges und der anfang eines neuen weges.

also genieße deinen weg, schritt für schritt, deinen einmaligen und wundervollen lebensweg. lass dich jeden tag vom leben beschenken, denn das leben will nichts anderes, als dich zu beschenken. darum mach dich bereit zu empfangen und lass dich von der stimme deines herzens führen. auf dass du die einmalige melodie deines lebens immer klarer in dir hörst. und singe!
denn alles findet nur dir zur freude statt. die ganze schöpfung ist für dich da!

ein mensch

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die drei bäume

es waren einmal drei kleine bäume, die auf einem berggipfel standen und davon träumten, was sie werden wollten, wenn sie einmal groß sein würden. der erste kleine baum schaute zu den sternen auf und sagte: "ich möchte schätze aufbewahren. ich möchte mit gold bedeckt und mit kostbaren steinen gefüllt werden. ich werde die allerschönste schatztruhe der welt sein." der zweite kleine baum schaute hinüber zu dem kleinen bach der auf seinem weg zum meer dahinplätscherte. "ich möchte über große wasser fahren und mächtige könige befördern. ich werde das grandioseste schiff der welt sein." der dritte kleine baum schaute hinunter ins tal, wo fleißige männer und frauen in einer geschäftigen stadt arbeiteten. "ich möchte den berggipfel überhaupt nicht verlassen. ich möchte so groß wachsen, dass, wenn die menschen anhalten und mich anschauen, sie ihre augen zum himmel erheben und an gott denken werden. ich werde der höchste baum der welt sein."

jahre vergingen. regen fiel, die sonne schien, und die kleinen bäume wurden groß. eines tages kamen drei holzfäller den berg hoch. der erste holzfäller sah den ersten baum an und sagte: "dieser baum ist sehr schön, er ist genau richtig für mich." mit kräftigen schlägen seiner schimmernden axt fiel der erste baum. "jetzt werde ich zu einer wunderschönen schatzkiste verarbeitet werden! ich werde wunderbare schätze beherbergen!", freute sich der erste baum. der zweite holzfäller sah den zweiten baum und sagte: "dieser baum ist stark. er ist genau, was ich brauche." mit kräftigen schlägen seiner schimmernden axt fiel der zweite baum. "jetzt werde ich über große wasser segeln", dachte sich der zweite baum. "ich werde ein prächtiges schiff für mächtige könige sein!" der dritte baum fühlte, wie sein herz sank, als der dritte holzfäller in seine richtung schaute. er stand gerade, hochgewachsen und zeigte tapfer in richtung himmel. doch der holzfäller schaute nicht einmal hoch. er murmelte: "für mich ist jeder baum recht." mit kräftigen schlägen seiner schimmernden axt fiel der dritte baum.

der erste baum jubelte, als der holzfäller ihn zu einer schreinerei brachte. doch der schreiner fertigte aus dem baum einen futtertrog für tiere. der einst so schöne baum wurde nicht mit gold bedeckt, oder mit schätzen gefüllt. er wurde mit sägemehl eingestäubt und mit heu für die hungrigen tiere eines bauern gefüllt.der zweite baum lächelte, als der holzfäller ihn zu einer schiffswerft brachte. doch an diesem tag wurde kein gewaltiges segelschiff gebaut. stattdessen wurde der einst so mächtige baum behauen und zersägt und zu einem einfachen fischerboot verarbeitet. es war zu klein und zu schwach, um auf dem meer oder auch nur auf einem großen fluss zu segeln. stattdessen wurde es zu einem see gebracht. der dritte baum war verwirrt, als der holzfäller ihn in dicke balken zersägte und in einem holzlager liegen ließ. "was ist passiert", wunderte sich der einst so große baum, "ich wollte doch nur auf dem berggipfel bleiben und zu gott zeigen..."

es vergingen viele jahre, und mit der zeit vergaßen die drei bäume ihre träume. aber eines nachts schien goldenes sternenlicht auf den ersten baum, als eine junge frau ihr neugeborenes baby in den futtertrog legte. "ich wünschte, ich könnte ihm eine wiege machen", flüsterte ihr mann. die mutter drückte seine hand und lächelte, als das sternenlicht auf das glatte und kräftige holz schien. "diese krippe ist wunderschön", meinte sie. und plötzlich wusste der erste baum, dass er den größten schatz der welt hütete. eines abends drängten sich ein müder reisender und seine freunde in das alte fischerboot. der reisende schlief ein, während der zweite baum ruhig auf den see hinaus segelte. bald erhob sich ein donnernder und tosender sturm. der zweite baum erschauerte. er wusste, dass er nicht die kraft hatte, so viele passagiere sicher durch den wind und regen zu tragen. der müde mann erwachte. er stand auf, streckte seine hand aus und sagte: "sei still!" der sturm hörte genauso schnell auf, wie er begonnen hatte. plötzlich wusste der zweite baum, dass er den könig des himmels und der erde trug. an einem freitagmorgen wurde der dritte baum aufgeschreckt, als seine balken von dem vergessenen holzhaufen gezerrt wurden. er schreckte zurück, als er durch eine wütende und spottende menschenmenge getragen wurde. er zuckte zusammen, als soldaten die hände eines mannes an ihm festnagelten. er fühlte sich hässlich, rauh und grausam. doch drei tage später, als die sonne aufging und die erde voller freude unter ihm erbebte, wusste der dritte baum, dass gottes liebe alles verändert hatte. sie hatte ihm kraft gegeben. und jedes mal, wenn die menschen an den dritten baum denken, denken sie an gott. das ist besser, als der höchste baum der welt zu sein.

ein mensch

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es hilft, dann und wann zurückzutreten

es hilft dann und wann zurückzutreten und die dinge aus der entfernung zu betrachten.

das reich gottes ist nicht nur jenseits unserer bemühungen. es ist auch jenseits unseres sehvermögens. wir vollbringen in unserer lebenszeit lediglich einen winzigen bruchteil jenes großartigen unternehmens, das gottes werk ist.

wir bringen das saatgut in die erde, das eines tages aufbrechen und wachsen wird. wir begießen die keime, die schon gepflanzt sind in der gewissheit, dass sie eine weitere verheißung in sich bergen. wir bauen fundamente, die auf weiteren ausbau angelegt sind. wir können nicht alles tun.

es ist ein befreiendes gefühl, wenn uns dies zu bewusstsein kommt. es macht uns fähig, etwas zu tun und es sehr gut zu tun. es mag unvollkommen sein, aber es ist ein beginn, ein schritt auf dem weg, eine gelegenheit für gottes gnade, ins spiel zu kommen und den rest zu tun.

wir mögen nie das endergebnis zu sehen bekommen, doch das ist der unterschied zwischen baumeister und arbeiter. wir sind arbeiter, keine baumeister. wir sind diener, keine erlöser. wir sind propheten einer zukunft, die uns nicht allein gehört.

ein mensch

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zeit, handeln und angst

ich schreibe hier über eine mir sehr ernste angelegenheit: über die frage, ob freiheit, totale freiheit von inneren ängsten, möglich ist. um dieser frage wirklich auf den grund zu kommen, spüre ich das bedürfnis nicht nur zu verstehen, was zeit ist, sondern auch, was handeln ist, denn handeln erzeugt angst, die im gedächtnis gespeichert wird, und dieses gedächtnis begrenzt, kontrolliert und bestimmt das handeln. möchte ich also frei von angst sein, dann ist es für mich notwendig zu verstehen, dass angst und zeit ein und dasselbe sind. gäbe es keine zeit, hätten ich keine angst. ich frage mich, ob ich das sehen kann. wenn es kein morgen gäbe, nur das hier und jetzt, würde die angst als eine bewegung des denkens enden.

es gibt sowohl die chronologische als auch die psychische zeit. in diesem bereich spielt sich mein leben ab. in diesem bereich des denkens, das zeit ist, handle ich – ich handle als christ oder als kommunist, als sozialist, buddhist, hindu oder atheist immer innerhalb der bewegung des denkens als zeit und maß. ich denke, das ist soweit klar, so dass ich mich nun daranmachen kann, den ursprung der angst zu erforschen. vielleicht habe ich jetzt, während ich hier sitze, kein angst vor irgendetwas bestimmtem. aber in meinem bewusstsein gibt es angst. in meinem unbewussten oder im bewusstsein lauert dieses schreckliche, das ich anspannung, schmerz, trauer, leid und angst nenne. vielleicht habe ich insgeheim angst vor dem morgen, davor, was morgen geschehen könnte oder was ich vielleicht nicht erreichen werde. wird diese beziehung, aus der ich so viel vergnügen und trost geschöpft habe, andauern, wird sie dauerhaft sein? oder wird sich etwas ändern? das befürchtet der geist, denn der geist, das gehirn, braucht stabilität, braucht sicherheit, um zu funktionieren. ich möchte ernsthaft bedenken. der verstand wird irgendeine schlussfolgerung ziehen, weil ihm das sicherheit gibt. es kann eine rationale oder irrationale schlussfolgerung sein, eine fantastische vorstellung oder eine rationale beobachtung. der verstand wird sich daran klammern, weil solche schlussfolgerungen ihm das gefühl völliger sicherheit geben.


da sind also ängste, bewusste wie unbewusste, in den hintersten winkeln meines eigenen geistes verborgene ängste, die nie untersucht, nie ans licht gebracht wurden. angst ist, ebenso wie psychischer schmerz, eine dunkle wolke, die angemessenes handeln unmöglich macht. sie führt zu verzweiflung, zynismus oder hoffnung - und das sind alles irrationale zustände. angst ist eine bewegung des denkens im bereich der zeit, also ist sie real, nicht fiktiv. meine frage lautet nun: wie kann mein geist, wie kann ich diese so tief verborgene angst auflösen? kann sie überhaupt je aufgelöst werden? oder ist sie immer da und zeigt sich nur ab und zu, wenn ich in eine krise gerate, etwas unvorhergesehenes geschieht oder wenn ich mit einer herausforderung konfrontiert werde? oder kann sie vollkommen ausgemerzt werden? ich habe bereits erkannt, dass analyse ein prozess der aufspaltung ist. was kann ich als mensch tun, wenn ich die notwendigkeit ganz frei von angst zu sein, begreife? unterstützt es mich auf hinweise zu warten, die mein unbewusstes mir vielleicht in träumen eingibt, oder unterstützt es mich mir zeit für eine analyse nehmen? nein. wenn ich all das verwerfe, nicht theoretisch, sondern wirklich verwerfe, weil es sinnlos ist, dann bleibt die frage, was die totalität, die gesamte struktur der angst ausmacht. wenn der geist die angst in ihrer gesamtheit anschauen kann, verstehen kann, dann hat das unbewusste nur sehr wenig bedeutung, dann löscht das größere das kleinere aus. kann ich das sehen? ich möchte einen moment innen halten...


...ich stelle mir vor: der verstand hat diesen bildschirm erschaffen, aber der bildschirm ist unabhängig von diesem verstand, der ihn erschaffen hat, nicht wahr? mein atem wurde nicht vom denken erschaffen, er ist unabhängig vom denken. angst wird vom denken erzeugt. ist das denken unabhängig von der angst? ist die angst unabhängig vom denken, obwohl angst wiederum gedanken erzeugt? wenn angst unabhängig vom denken ist wie mein atem hier, dann wird diese nicht vom denken erzeugte angst weiter bestehen. wurde sie aber durch das denken erzeugt, wie dieser bildschirm, dann kann ich die gesamte gedankenbewegung als angst wahrnehmen. sagt mir das etwas?

wie nehme ich etwas in seiner gesamtheit wahr? die angst als ganzes, nicht ihre fragmente, die sich in verschiedenen formen der angst zeigen, auch nicht die angst des bewussten und des unbewussten, sondern die angst in ihrer gesamtheit? wie nehme ich mich selbst als ganzes wahr, dieses »ich«, das das denken hervorgebracht hat, das durch das denken isoliert ist, gespalten, das in sich selbst gespalten ist, so dass es glaubt, dieses »ich« existiere unabhängig vom denken? das »ich« glaubt, es sei unabhängig vom denken, aber das denken hat das »ich« erschaffen, dieses »ich« mit all seinen befürchtungen, ängsten, eitelkeiten, qualen, vergnügungen, hoffnungen. dieses vom denken erschaffene »ich« glaubt, es hätte seine eigene, unabhängige existenz, wie dieser bildschirm, der von den gedanken erschaffen wurde und doch unabhängig davon ist. der atem wurde nicht von den gedanken erschaffen und ist daher unabhängig. das »ich«, das vom denken erschaffen wurde, sagt: »ich bin unabhängig vom denken!« ist mir das jetzt klar?


wie kann ich also die angst in ihrer gesamtheit sehen? um etwas total oder als ganzes sehen oder vollständig hören zu können, sehe ich die notwendigkeit frei sein, frei von vorurteilen, von schlussfolgerungen, frei von dem wunsch, die angst loszuwerden, frei von rationalisierungen der angst, frei von dem wunsch, sie zu kontrollieren. kann der geist von alldem frei sein? andernfalls kann er das ganze nicht sehen. kann ich mir alle meine ängste - ich bitte mich hier, mir selbst aufmerksam zu folgen -, kann ich meine ängste ohne jegliche gedankenbewegung anschauen, die ja zeit ist, die angst erzeugt? verstehe ich das? ich habe angst, dass aus mir nichts wird, weil ich dazu erzogen wurde, von der gesellschaft - der summe und frucht meiner auf dem getrennten »ich« basierenden beziehungen - darauf konditioniert wurde, etwas darzustellen, als künstler, als ingenieur, als arzt, als politiker, was auch immer, »ich« muss jemand sein. und da keimt einer der samen der angst. dann gibt es noch die angst vor unsicherheit - und der verstand kann für mich offensichtlich nie sicher sein, weil er selbst ein bruchstück ist. der verstand kann nie das ganze sehen; da er ein bruchstück ist, kann er auch nur bruchstückhaft sehen. ich kann die verschiedenen formen der angst beschreiben, und jede ist unauflösbar, weil sie durch das denken in bruchstücke aufgespalten wird. also frage ich mich: was ist die wurzel der angst? kann ich nicht nur den ganzen baum der angst, sondern auch ihre wurzel sehen?

was, glauben ich, ist die wurzel der angst, sowohl im bewusstsein als auch im unbewussten? wie antworte ich auf eine herausforderung? das leben fordert mich heraus! wie reagieren ich? sehe ich die tiefste ursache dessen, was ich angst nenne? nehmen ich sie wahr? oder warte ich auf jemanden - oder auf mein denkendes »ich«, welcher/s sie mir erklärt, und akzeptiere bzw. glaube ich dann diese erklärung? und ich sage: »ja, ich sehe es« - was bedeutet, dass ich es nicht wirklich sehe. ich sehe die beschreibung. ist zeit die wurzel der angst und das denken der ursprung der zeit? ist die wurzel der angst unsicherheit, die die psyche instabil werden lässt, was sich wiederum auf das handeln in der außenwelt und daher auf die gesellschaft auswirkt? wenn vollkommene psychische sicherheit da ist, gibt es keine angst. ich frage mich, ob ich das sehe.


aber wo findet der geist vollkommene sicherheit – absolute, nicht relative sicherheit? der denkende verstand will sicher sein. das gehirn fordert vollkommene sicherheit, weil es nur dann rational funktionieren kann. also hat es sicherheit im wissen, in der wissenschaft, in beziehungen, in der kirche, in schlussfolgerungen gesucht, aber nie gefunden. wo finde ich sicherheit? ist sie dort draußen? oder irgendwo anders? mein eindruck ist, das wir als menscheit, gemeinsam lernen, dass es sinnlos ist, sicherheit in unseren gedanklichen projektionen zu suchen, wie auch immer diese sich äußern mögen. ich möchte herausfinden, wo ich als mensch absolute sicherheit finden kann – denn wenn ich diese habe, existiert keine angst mehr, die angst löst sich sowohl auf der physiologischen als auch auf der psychischen ebene vollkommen auf.

mein geist ist aktiv, ein gedanke jagt den anderen. doch zwischen diesen gedankenbewegungen gibt es lücken, eine kleine spanne, eine zeitspanne. und der verstand versucht immer, etwas zu finden, an dem er sich festhalten kann, wo er ruhen kann. doch das denken ruft, da es fragmentarisch ist, absolute unsicherheit hervor. ich frage mich, ob ich das sehe. diese tatsache unterstützt mich darin vollkommene sicherheit zu finden, wenn ich absolut nichts bin – das heißt, nichts vom denken erschaffenes. absolut nichts sein ist ein völliger widerspruch zu allem, was ich gelernt habe, zu allem, was das denken hervorgebracht hat. nichts sein. wenn ich nichts bin, habe ich absolute sicherheit. die unsicherheit entsteht nur durch das werden, das wollen, das wünschen, das streben.

indem ich also sehe, was zeit, abgesehen von der chronologischen zeit, eigentlich ist, nämlich die bewegung des denkens, indem ich die angst in ihrer gesamtheit als gedankenbewegung erkenne – als das streben, eine idee zu verwirklichen, oder als das verweilen in der vergangenheit, in der romantischen, fantastischen, sentimentalen vergangenheit, oder als das verweilen im wissen, welches ebenfalls fragmentarisch ist – dann sehe ich, dass mein handeln immer fragmentarisch, nie vollständig ist.

handeln bedeutet, im hier und jetzt zu handeln, und das kann, nur geschehen, wenn völlige sicherheit da ist. die vom denken geschaffene sicherheit ist in wirklichkeit keine sicherheit. diese tatsche erweist sich in meinem leben als mensch, als eine absolute wahrheit. und die absolute wahrheit zeigt sich, wenn da nichts ist, wenn ich nichts bin. weiß ich, was es bedeutet, nichts zu sein? kein ehrgeiz – das heißt nicht, dass ich vor mir hin vegetiere –, keine konkurrenz, keine aggression, kein widerstand, keine aufgrund von verletzungen aufgebauten schutzmauern. ich bin absolut nichts. was geschieht dann mit meinen beziehungen, wenn ich nichts bin? verstehe ich? was bedeutet es dann, mit einem anderen menschen in beziehung zu stehen? habe ich je über diese dinge nachgedacht, oder sollte mir all das – was tragisch wäre – neu sein?

unsere beziehung ist nie stabil, und deshalb ist sie ein ständiger kampf, eine fortgesetzte trennung; jeder verfolgt seine eigenen ziele, sucht sein eigenes vergnügen, jeder ist isoliert. eine solche beziehung muss, da sie grundsätzlich nicht sicher ist, unweigerlich zu trennung und somit zu konflikten führen, nicht wahr? gäbe es in dieser beziehung vollkommene sicherheit, dann gäbe es keinen konflikt. aber vielleicht bist du absolut nichts, und ich bin immer noch etwas. was geschieht, wenn du innerlich, psychisch nichts bist, wenn du vollkommene sicherheit hast, weil da nichts ist, aber ich mich immer noch unsicher fühle, kämpfe, streite, verwirrt bin? welche beziehung besteht dann zwischen dir und mir? deine sicherheit ist nicht eine vom denken erschaffene, nicht die sicherheit des menschen, der sagt: »ich glaube daran« und der seine beziehung auf der basis eines glaubenssystems, einer konditionierung aufbaut, die angst und daher trennung hervorruft. und das passiert ständig, verstehst du? hier ist es nun ganz anders. du hast verstanden, dass in diesem nichts-sein vollkommene sicherheit liegt. und ich habe es nicht verstanden. was geschieht dann zwischen dir und mir? du bist voller zuneigung, liebe und mitgefühl, die mit dieser unerschütterlichen sicherheit einhergehen, und ich (dein freund, deine frau, dein mann, deine schwester, dein nachbar, dein vater) bin nicht voller liebe. was geschieht nun? was wirst du mit mir anfangen? dich über mich lustig machen, mit mir reden, mich trösten, mir sagen, wie dumm ich doch bin? was wirst du tun?

bitte, ich lade dich ein, es einmal von einer anderen warte zu betrachten. diesen brief lesen etliche menschen im internet, und einige von ihnen haben sehr aufmerksam gelesen, das hoffe ich, haben ihre ganze aufmerksamkeit, sorgfalt und zuneigung hineingegeben, und sie begreifen, dass sie die welt sind und dass die welt sie ist - sie verstehen das nicht nur verbal und in gedanken, sondern sehen diese tiefe wahrheit. sie erkennen das, und sie sehen die ungeheure damit verbundene verantwortung, die verantwortung, sich radikal zu ändern, weil sie zugehört haben, weil sie nicht argumentiert haben. sie sehen die wahrheit; welcher art wird ihre beziehung zur welt also sein, wenn diese fundamentale transformation stattgefunden hat? es ist die gleiche frage, verstehst du? was tust du? wartest du darauf, dass irgendetwas geschieht? wenn du darauf wartest, wird nichts geschehen. aber wenn du diese fundamentale wahrheit, dass du die welt bist und dass die welt du bist, wirklich siehst, und wenn du verstehst, wie außerordentlich wichtig und notwendig eine grundlegende transformation in deinem eigenen innern ist, dann beeinflusst du das gesamte bewusstsein der welt - das ist unvermeidlich. und wirst du nicht, wenn du ganz und gar sicher bist - in dem sinne, dem ich hier darüber geschrieben habe -, wirst du nicht auch mich beeinflussen, mich, der ich unsicher, verzweifelt, abhängig bin - wirst du mich nicht beeinflussen? natürlich wirst du das. am wichtigsten ist aber, dass du, der du hier liest, diese wahrheit selbst siehst. dann ist es deine wahrheit, nicht etwas, was dir irgendjemand - d/ein »ich« - gegeben hat.

ein mensch und ein mensch

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dein wille

wir wissen worauf du hinaus wolltest
als du uns dir ähnlich geschaffen hast
kinder der erde die sterben müssen
deine töchter und söhne fähig die liebe zu lernen
schon jetzt mitten im krieg


wir kennen deinen willen gott*
leben in seiner fülle hast du allen versprochen
nicht nur den weißen nicht nur den reichen
nicht nur denen die kaffee trinken
auch denen die ihn pflanzen und ernten


wir danken dir für deine vielen du sollst
mit ihnen fragst du uns
nach unseren geschwistern
den bäumen und den tieren
dem wasser und der luft
nach unserer zeit fragst du
und nach dem was uns wichtig ist


eines tages gott* werden wir alle deine du sollst
verwandeln in ein großes ja ich will
ja wir werden die fremden nicht mehr hassen
und die mauern der trennung einreißen
und die gewalt wird nicht mehr wohnen bei uns
wir werden sie nicht füttern und hätscheln
nicht bezahlen und nicht für allmächtig halten
dein wille wird geschehen
auch in unserm land


ein mensch

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mit ganesh und guru per du

[...] um mich nicht völlig ratlos zu entlassen, empfehlen sie mir einen guru. auf den gedanken wäre ich von selbst nicht gekommen, aber warum eigentlich nicht. gu heißt dunkelheit, ru heißt licht, und wenn einer von der dunkelheit ins licht führen kann, hat er vielleicht auch eine lösung für mein problem. außerdem gefällt mir, was sie über ihn erzählen. er heißt ramesh. und er gehört, obwohl er ein greis ist, zu den neuen gurus, zu denen, die gerade erst in mode kommen. in bollywood, in hollywood, in der hall of farne. man sagt, leonard cohen sei ein schüler von ihm. früher, als ramesh noch kein guru war, führte er als generaldirektor die bank of india. das ist eine exzellente reputation. schön ist es, einen erleuchteten zu treffen, noch schöner wird's, wenn der erleuchtete auch rechnen kann. jeden vormittag von neun bis elf stellt er sich in seiner wohnung den fragen der unwissenden. und am nächsten morgen bin ich bei ihm.

der guru sitzt in seinem schaukelstuhl und schaukelt. er macht das energisch, er gibt richtig gas. er ist sechsundachtzig, klein, dünn und zahnlos. der eingefallene mund mildert die strenge seines cäsarengesichts. seine schütteren weißen haare passen gut zu seiner weißen baumwollhose und dem überlangen, weißen indischen hemd. er schaukelt barfuß. morgenlicht fällt in den raum, der angenehm temperiert ist. durch die offenen fenster kommt der wind herein und zirkuliert. ein frischer, sauberer wind vom meer. man kann es von hier sehen, wenn man am richtigen fenster steht. acht stockwerke unter uns hupen die straßen von bombay. etwa dreißig leute sind heute beim guru. die wenigsten von ihnen sind inder. sie sitzen auf stühlen, auf dem boden, an der wand. wer eine frage hat, setzt sich direkt vor ihn und bekommt ein mikrofon angesteckt, wie beim fernsehen. der guru trägt auch eins am hemd. eine videokamera läuft. die cd kann man mitnehmen.

»wie heißt du?« fragt ramesh.
»tim«, sage ich.
»aha, tim. und du kommst aus ... ?«
»deutschland.«
»aha, tim aus deutschland. und was kann ich für dich tun, tim?«
»ich schreibe reisebücher.«
»ich verstehe.«
»und jetzt bin ich gerade auf einer weltreise.«
»ich verstehe.«
»und mein problem ist, dass ich mich nicht entscheiden kann, wie es weitergeht. ob ich mit dem zug oder mit dem flieger nach kalkutta will.«

ramesh unterbricht abrupt sein schaukeln und richtet sich ein wenig auf.

»und warum, tim, glaubst du, dass ich dir darauf eine antwort geben kann? bin ich ein reisebüro?«

alle im raum lachen, den guru selbst schüttelt es vor heiterkeit, ich lache auch ein bisschen mit, obwohl mir nicht wirklich danach zumute ist.

»nein, ramesh, es geht im grunde nicht um zug oder flugzeug, es geht nicht darum, wofür ich mich nicht entscheiden kann. es geht um das nichtentscheiden-können an sich, als psychologische fehlfunktion oder als schwacher charakterzug oder als geburtsfehler, ich weiß es nicht. ich weiß nur, dass ich mich nie entscheiden kann. in der liebe, im beruf, in allem eigentlich, und das bringt extrem viele probleme mit sich. es ist ein fluch in meinem leben.«

»ich verstehe.« ramesh schaukelt wieder. »also, tim, ich denke, dass es so etwas gibt. es gibt menschen, die sich nicht entscheiden können. und wenn das bei dir so ist, tim, dann ist das dein weg. dann ist das so von gott gewollt, oder vom urknall, oder wie immer du die quelle von allem existierenden nennen willst. weißt du, was ich an deiner stelle tun würde, tim?«

ramesh unterbricht wieder sein schaukeln und richtet sich auf. er macht eine handbewegung, die mir bekannt vorkommt.

»wenn ich mich nicht entscheiden könnte, tim, würde ich eine münze werfen. denn niemand kann behaupten, dass menschen, die es mit einer münze tun, weniger erfolgreich sind als menschen, die sich auf traditionelle weise entscheiden.«

im raum explodiert das lachen aus drei dutzend kehlen. diesmal lache ich nicht halbherzig mit, auch nicht aus vollem herzen. ich lache überhaupt nicht. ich starre ramesh an und fasse es nicht. er hat mit ein paar sätzen so etwas wie ein wunder vollbracht. es hat dreimal klick gemacht. dreimal schlossen sich gedankenkarawanen zu einem kreis.

ich fange mal mit dem letzten an. wenn irgendein vogel zu mir sagt, dass leute, die münzen werfen, genauso erfolgreich sind wie jene, die sich rational, emotional und mit der kraft ihres willens entscheiden, dann hört sich das vielleicht witzig an - aber wenn das die erfahrungen eines ehemaligen bankdirektors sind, bekommt der rat natürlich gewicht. mehr als jede statistik. auch die logik stimmt. die tatsache, dass ich mich zwischen zwei möglichkeiten nicht entscheiden kann, besagt, dass diese beiden möglichkeiten für mich gleichwertig sind. dann ist es egal, welche möglichkeit ich wähle, hauptsache, ich wähle.

nehmen wir an, zwei frauen, eine blond, eine schwarzhaarig, beide bildschön, steinreich und rattenscharf, wollen mir ihre liebe, ihren körper und ihr geld schenken, dann wäre es doch blöd, ich würde statt einer keine von ihnen nehmen, nur weil ich mich nicht für eine haarfarbe entscheiden kann. das kann man doch umfärben.

soviel zu dem, was ramesh über münzen meinte, jetzt zu wichtigerem, jetzt zu dem, was er vorher sagte und was mich gerade wirklich packt und diesen morgen in bombay zu dem entscheidenden morgen meiner letzten zwei jahre macht.

was hat ramesh in einem satz mit drei verschieden begriffen benannt? »dann ist das so von gott gewollt, oder vom urknall, oder wie immer du die quelle von allem existierenden nennen willst.«

eine menge fragen der letzten zwei jahre haben bei diesem satz klick gemacht, und mir wurde etwas zurückgebracht, das ich verloren hatte. auch in indien. vor zwei jahren kam mir in dem heimatland der spiritualität gott abhanden. einfach so. ich wusste plötzlich nicht mehr, was das soll. die gefühle, die riten, die märchen von einem allwissenden und alles durchdringenden wesen, das uns schafft, beschützt und wieder zu sich nimmt. das man anbeten kann, dem man vertrauen kann, das einen trägt, das vor allem sinn gibt und das leben erklärt so wie das sterben. wenn dieses wesen plötzlich nicht mehr existiert, dann gibt es alles andere auch nicht mehr. karma, schicksal, deinen weg. dann ist alles zufall, und zufall ist nur ein anderes wort für das chaos nach dem urknall. und jetzt, »ich versuche, das leid zu akzeptieren. und wenn ich feststelle, dass ich es nicht akzeptieren kann, akzeptiere ich das. alles klar, tim?«

nein, nicht jetzt, sondern gerade eben, sagte dieser kleine, alte, mir höchst sympathische ex-banker, dass urknall dasselbe sei wie gott, und ich verstand sofort, wie er es meinte. dass ich so bin, wie ich bin, habe ich meinen eltern zu verdanken, die von ihren eltern geprägt worden sind und die von ihren. die kette reicht elend weit zurück, nicht nur bis zu den wurzeln unseres stammbaums, nicht nur bis zum ersten menschen, ersten säugetier, ersten einzeller, sie reicht auch weiter zurück als bis zum geburtsjahr der erde. dass dieser planet so ist, wie er ist, und da ist, wo er ist, an dieser stelle der milchstraße, an diesem punkt des universums, hat seine ursache in einer bewegung, die vor so langer zeit begann, dass wir sie ewigkeit nennen, obwohl es keine ewigkeit ist, denn irgendwann muss sie angefangen haben.

gott, urknall oder wie immer du die quelle allen seins nennen willst, hatte ramesh eben gesagt, und verstanden habe ich, dass in diesem anfang alles programmiert ist. beim urknall knallen trilliarden mal trilliarden teile und teilchen auseinander, und jedes teil und teilchen hat seine richtung, seine entwicklung, seinen weg, und wenn dann, nicht am ende, aber doch reichlich später, jemand dabei herauskommt, der unfähig ist, sich zu entscheiden, bin ich doch der letzte, der was dafür kann. und da was machen kann. und wenn ich doch was machen kann, dann nur, weil auch das vorprogrammiert ist (sozusagen als „göttlicher gedanke“). devotional lässt mich diese erkenntnis im regen stehen: diesen gott kann ich nicht lieben, anbeten und besingen, ich kann ihm nicht mal danken. aber er schenkt mir frieden.

schlagartig verlässt mich jede art von schlechtem gewissen, minderwertigkeitsgefühl, reue sowie die angst, irgendetwas nicht zu schaffen, was ich eigentlich schaffen könnte und dann doch nicht hinkriege. das gibt es nicht. ich kann, was ich kann und tue, was ich tun muss, alles andere ist nicht in meiner hand, ist nicht mein programm. so habe ich ramesh eben verstanden, und so meint er es auch.

er spricht gerade wieder darüber. er sagt, das schönste, was er in allen religionen gefunden habe und was in allen religionen gleich sei, ist folgender satz, und weil ramesh keine zähne mehr hat, sehr undeutlich spricht und ich schwerhörig bin, verstehe ich den satz nicht und frage dreimal nach, und als ich ihn auch beim dritten mal nicht verstehe, ruft irgendjemand, der hinter mir sitzt, so laut wie er kann:

»dein wille geschehe!«

»ja«,sagt ramesh, »dein wille geschehe. und das ist es, was tim vergessen hat. und deshalb ist tim unglücklich.«

er wiederholt dies noch viele male während der geschlagenen siebzig minuten, die seine antwort auf meine frage währt, er kommt richtig in fahrt, erzählt von seinem leben. bis mitte fünfzig etwa habe er versucht, das glück zu mehren und das leid zu mindern, ab mitte fünfzig habe er es sein lassen. weil es nicht geht. nicht nur, weil glück und leid kommen, wie sie wollen, nein, selbst das glück von heute wandelt sich in das leid von morgen und umgekehrt. nachdem er nun weitere dreißig jahre darüber nachgedacht und nachgedacht und nachgedacht habe, habe er den trick gefunden, damit umzugehen. und dieser trick sei auch das einzige, was er anzubieten habe, seine botschaft, sein system. wie der trick geht?

»ich versuche, das leid zu akzeptieren. und wenn ich feststelle, dass ich es nicht akzeptieren kann, akzeptiere ich das. alles klar, tim?«

und wie. ich kam mit einer frage und gehe mit mindestens drei antworten. und egal, was ich an diesem tag noch mache und sehe und sage, im taxi, auf der straße, im hotel, ich höre dauernd diese drei sätze in mir, wie ein mantra, wie einen ohr-, nein, wie einen gehirn-, nein, wie einen seelenwurm:

1. »dein wille geschehe!«
2. »das ist es, was tim vergessen hat.«
3. »und deshalb ist tim unglücklich.«

ich höre es nicht wie eine endlosschleife in mir. es gibt pausen, es hat rhythmen, und jedes mal verstehe ich ein bisschen mehr, warum in meinem leben so viel schiefgelaufen ist und schief laufen musste und dass es an diesem morgen wieder zurechtgerückt wird, weil auch das sein muss, und jedes mal entspanne ich ein bisschen mehr. [...]

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der buddha und der wissenschaftler

die physische realität verändert sich fortwährend, in jedem moment. dies erkannte der buddha, indem er sich selbst erforschte. mit extrem konzentriertem geist drang er tief in seine eigene natur ein und entdeckte, daß die gesamte materielle struktur aus winzigen subatomaren teilchen aufgebaut ist, die fortwährend entstehen und vergehen. während eines schnippens mit dem finger oder der dauer eines augenzwinkerns, so erklärte er, entstehen und vergehen diese teilchen viele billionenmal.
»unglaublich«, wird jeder denken, der lediglich die augenscheinliche realität des körpers beobachtet, die so fest, so beständig erscheint. ich ging früher immer davon aus, daß der ausdruck »viele billionenmal« nur ein bild sei, das nicht wörtlich zu nehmen ist, doch die moderne wissenschaft hat diese erkenntnisse inzwischen bestätigt.
vor einer reihe von jahren erhielt ein amerikanischer naturwissenschaftler den nobelpreis für physik. über einen langen zeitraum hinweg hatte er sich mit der erforschung der subatomaren teilchen beschäftigt, aus denen das universum aufgebaut ist, und experimente durchgeführt, um mehr darüber zu erfahren. es war bereits bekannt, daß diese teilchen mit großer geschwindigkeit entstehen und vergehen, immer und immer wieder. dieser wissenschaftler entschloß sich nun, ein instrument zu entwickeln, das in der lage sein würde zu messen, wie viele male ein teilchen in einer sekunde entsteht und wieder vergeht. er nannte das gerät, das er erfand, sehr zu recht eine blasenkammer, und er fand damit heraus, daß subatomare teilchen in einer sekunde 10 hoch 22 mal entstehen und wieder vergehen.
die wahrheit, die dieser naturwissenschaftler herausfand, ist die gleiche, die der buddha entdeckt hatte, aber was für ein großer unterschied bestand zwischen diesen beiden menschen! einige meiner amerikanischen schüler, die kurse in indien besucht hatten, kehrten später in ihr land zurück und suchten diesen wissenschaftler auf. sie berichteten mir, daß er trotz seines wissens um die wirklichkeit immer noch ein ganz gewöhnlicher mensch war, mit der üblichen anhäufung von elend und leiden, wie sie überall zu beobachten ist!
nein, dieser wissenschaftler ist nicht zu einem erleuchteten wesen geworden, nicht befreit von allem leiden, denn er hat die wahrheit nicht direkt erfahren. was er gelernt hat, ist nur intellektuelle einsicht. er glaubt an diese wahrheit, weil er großes vertrauen in sein gerät setzt, aber er hat die wahrheit nicht selbst erfahren.
ich habe nichts gegen diesen mann und ebensowenig gegen die moderne wissenschaft. man darf jedoch nicht nur ein erforschen der äußeren welt bleiben. so wie der buddha sollte man auch ein wissenschaftler und erforschen der welt im innern sein, um die wahrheit direkt zu erfahren. erst die persönliche erfahrung der wahrheit wird ganz von selbst die gewohnheitsmuster des geistes verändern, so daß man beginnen kann, im einklang mit der wahrheit zu leben. jede handlung wird dann auf das eigene wohl und das wohl anderer ausgerichtet sein. wenn diese innere erfahrung fehlt, kann es leicht geschehen, daß wissenschaft zu zerstörerischen zielen mißbraucht wird. wenn wir jedoch zu erforschern der wirklichkeit im innern werden, werden wir zum wohl aller menschen gebrauch von der wissenschaft machen.

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der verzagte baumwollfaden

es war einmal ein kleiner weißer baumwollfaden, der hatte ganz viel angst, dass er so wie er war, zu nichts nutze sei.
ganz verzweifelt dachte er immer wieder: "ich bin nicht gut genug, ich tauge zu nichts. für einen pullover bin ich viel zu kurz. selbst für einen winzig kleinen puppenpullover tauge ich nichts! für ein schiffstau bin ich viel zu schwach. nicht mal ein hüpfseil kann ich aus mir machen lassen! mich an andere kräftige, dicke, lange fäden anknüpfen kann ich nicht, die lachen doch sowieso über mich. für eine stickerei eigne ich mich auch nicht, dazu bin ich zu blass und zu farblos. ja, wenn ich aus goldgarn wäre, dann könnte ich eine stola verzieren oder ein kleid... aber so?! ich bin zu gar nichts nütze. was kann ich schon? niemand braucht mich. keiner beachtet mich. es mag mich sowieso niemand."
so sprach der kleine weiße baumwollfaden mit sich - tag für tag. er zog sich ganz zurück, hörte sich traurige musik an und weinte viel. er gab sich ganz seinem selbstmitleid hin.
eines tages klopfte seine neue nachbarin an der tür: ein kleines weißes klümpchen wachs. das wachsklümpchen wollte sich bei dem baumwollfaden vorstellen. als es sah, wie traurig der kleine weiße baumwollfaden war und sich den grund dafür erzählen ließ, sagte es: "lass dich doch nicht so hängen, du schöner, kleiner, weißer baumwollfaden. mir kommt da so eine idee: wir beide sollten uns zusammen tun! für eine kerze am weihnachtsbaum bin ich zu wenig wachs und du als docht zu klein, doch für ein teelicht reicht es allemal. es ist doch viel besser, ein kleines licht anzuzünden, als immer nur über die dunkelheit zu klagen!"
da war der kleine weiße baumwollfaden ganz glücklich und tat sich mit dem kleinen weißen klümpchen wachs zusammen und sagte: "endlich hat mein dasein einen sinn."
wer weiß, vielleicht gibt es in der welt noch viele kleine weiße baumwollfäden und viele kleine weiße wachsklümpchen, die sich zusammentun könnten, um der welt zu leuchten?!

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das schöne herz

eines tages stand ein junger mann mitten in der stadt und erklärte, dass er das schönste herz im ganzen tal habe. eine große menschenmenge versammelte sich, und sie alle bewunderten sein herz, denn es war perfekt. es gab keinen fleck oder fehler in ihm. ja, sie alle gaben ihm recht, es war wirklich das schönste herz, was sie je gesehen hatten.

der junge mann war sehr stolz und prahlte laut über sein schönes herz. da tauchte plötzlich ein alter mann vor der menge auf und sagte: „nun, dein herz ist nicht mal annähernd so schön, wie meines.“ die menschenmenge und der junge mann schauten das herz des alten mannes an. es schlug kräftig, aber es war voller narben, es hatte stellen, wo stücke entfernt und durch andere ersetzt worden waren. aber sie passten nicht richtig, und es gab einige ausgefranste ecken. genauer, an einigen stellen waren tiefe furchen, wo ganze teile fehlten.

die leute starrten ihn an: wie kann er behaupten, sein herz sei schöner, dachten sie? der junge mann schaute auf des alten mannes herz, sah dessen zustand und lachte: „du musst scherzen“, sagte er, „dein herz mit meinem zu vergleichen. meines ist perfekt und deines ist ein durcheinander aus narben und tränen.“ -„ja“, sagte der alte mann, „deines sieht perfekt aus, aber ich würde niemals mit dir tauschen."

die menge lauschte ernst, als der alte weitersprach: "jede narbe steht für einen menschen, dem ich meine liebe gegeben habe. ich reiße ein stück meines herzens heraus und reiche es meinen mitmenschen und oft geben sie mir ein stück ihres herzens, das in die leere stelle meines herzens passt. aber weil die stücke nicht genau gleich sind, habe ich einige raue kanten, die ich sehr schätze, denn sie erinnern mich an die liebe, die wir teilten.

manchmal habe ich auch ein stück meines herzens gegeben, ohne dass mir der andere ein stück seines herzens zurückgegeben hat. das sind die leeren furchen. liebe geben heißt manchmal auch ein risiko einzugehen. auch wenn diese furchen schmerzhaft sind, bleiben sie offen und auch sie erinnern mich an die liebe, die ich für diese menschen empfinde. und ich hoffe, dass sie eines tages zurückkehren und den platz ausfüllen werden. - erkennst du jetzt, was wahre schönheit ist?“

der junge mann stand still da und tränen rannen über seine wangen. langsam ging er auf den alten mann zu, griff nach seinem perfekten jungen und schönen herzen und riss ein stück heraus. er bot es dem alten mann mit zitternden händen an.

der alte mann nahm das angebot an und setzte es in sein herz. dann nahm er ein stück seines alten vernarbten herzens und füllte damit die wunde im herzen des jungen mannes. es passte nicht perfekt, da es einige ausgefranste ränder hatte.

der junge mann sah sein herz an, nicht mehr perfekt, aber schöner als je zuvor, denn er spürte die liebe des alten mannes in sein herz fließen. sie umarmten sich herzlich und seite an seite gingen sie weg - und ließen betroffen schweigende menschen zurück.

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communio

dir zuhören
über deine frage nachdenken
deine antworten wirken lassen
dich zu verstehen versuchen
mitgehen
mich zurücknehmen
deine vorwürfe an mich herankommen lassen
deine bitten ernst nehmen
deine anregungen aufgreifen
dir raum geben
und zeit schenken
mich berühren
und bewegen lassen


dir erzählen
fragen stellen
antworten probieren
mich zu verstehen versuchen
mich begleiten lassen
vorkommen
dich hinterfragen
dich bitten
anregungen geben
mir raum
und zeit nehmen
mich hergeben
und dich teilhaben lassen


miteinander
im gespräch
in beziehung sein
das leben teilend
suchend und unterstützend
fragend und bittend
anregend und fördernd
begleitend und bestärkend
füreinander da sein
uns raum
und zeit geben


sich gegenseitig
ganz herz
und ganz ohr sein


im mönchtum wird in diesem zusammenhang das thema des schwierigen mitmenschen behandelt, der mich auf meine eigenen wunden hinweisen möchte, der mir meine blinden flecken aufdeckt.
hermann hesse meint einmal: "was nicht in uns ist, das regt uns auch nicht auf." wenn wir sehr emotional auf einen menschen reagieren, ist das ein zeichen, dass er uns auf die eigenen schatten hinweist. der andere ist eine wichtige quelle der selbsterkenntnis. ohne die konflikte mit unseren freunden, mit unseren partner, würden wir nie erkennen, was uns eigentlich bewegt, wo wir uns selbst noch nicht angenommen haben.
unser novizenmeister meinte einmal, gott schicke ihm immer die novizen, die gerade seine schattenseite aufdecken. das gilt auch von den kindern einer familie, die den eltern meistens die seite vorspiegeln, die sie bei sich selbst verdrängt und nicht zugelassen haben. die frühen mönche sprechen vom sakrament der schwester. damit meinen sie, dass jeder mensch uns gott vermitteln kann.


zwei menschen

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ein besonderes geschenk

es war einmal eine weise frau, die in den bergen reiste und einen edelstein in einem fluss fand. am nächsten tag begegnete sie einem reisenden, der sehr hungrig war, und sie öffnete ihre tasche, um ihr essen mit ihm zu teilen. als der hungrige reisende den edelstein sah, fragte er sie, ob sie ihm den stein geben würde. sie tat es ohne zu zögern.

der reisende reiste weiter und freute sich über sein grosses glück. er wusste, dass der stein wertvoll genug war, um ihm für den rest seines lebens sicherheit zu geben.
aber nach nur wenigen tagen kam er zurück, um der frau den stein zurückzugeben.

ich habe nachgedacht, sagte er, ich weiss, wie wertvoll der stein ist, aber ich gebe ihn zurück
in der hoffnung, dass du mir etwas noch wertvolleres geben kannst.

und was wäre das?, sagte die frau.

ich möchte, dass du mir das gibst, was du in dir hast, dass dich befähigt hat,

mir den stein zu geben.

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in der u-bahn

ich fuhr an einem sonntagvormittag in der u-bahn. die passagiere saßen still da, manchen lasen zeitung, andere waren in gedanken verloren, einige hatten die augen geschlossen und ruhten sich aus. es war eine ruhige, friedliche szene.
dann stieg ein mann mit seinen kindern ein. die kleinen waren laut und ungestüm. die ganze stimmung änderte sich abrupt. der mann setzte sich neben mich und machte die augen zu. er nahm die situation offenbar überhaupt nicht zu kenntnis. die kinder schrien herum, warfen sachen hin und her, zerrten sogar an den zeitungen der anderen fahrgäste herum. sie waren sehr störend. aber der mann neben mir tat gar nichts.
es war schwierig, nicht davon irritiert zu sein. ich konnte nicht fassen, dass er so teilnahmslos war, dass er seine kinder dermaßen herumtoben ließ und nichts dagegen tat, überhaupt keine verantwortung übernahm. mit aus meiner sicht ungewöhnlichen geduld und zurückhaltung sprach ich ihn schließlich an:
“ihre kinder stören wirklich sehr viele leute hier. könnten sie nicht vielleicht ihre kinder etwas mehr unter ihre kontrolle bringen?“
der mann hob die augen, also ob er sich zum ersten mal der situation bewusst würde, und sagte leise:
“oh, sie haben recht. ich sollte etwas dagegen tun. wissen sie, wir kommen gerade aus dem krankenhaus, wo ihre mutter vor einer stunde gestorben ist. ich weiß überhaupt nicht, was ich denken soll, und die kinder haben vermutlich auch keine ahnung, wie sie damit umgehen sollen.“

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hinter den dingen

gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht,
dann geht er schweigend mit ihm aus der nacht.
aber die worte, eh jeder beginnt,
diese wolkigen worte sind:

von deinen sinnen hinausgesandt,
geh bis an deiner sehnsucht rand;
gib mir gewand

hinter den dingen wachse als brand,
dass ihre schatten, ausgespannt,
immer mich ganz bedecken.

lass dir alles geschehen; schönheit und schrecken.
man muss nur gehn: kein gefühl ist das fernste.
lass dich von mir nicht trennen.
nacht ist das land,
das sie das leben nennen.

du wirst es erkennen
an seinem ernste.
gib mir die hand

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der lange marsch

vielleicht haben wir uns das zu einfach gedacht
als wir losgingen damals
auf dem langen marsch durch die wüste
um bessere methoden zu finden füreinander dazusein

o herr haben wir gedacht mach uns zum werkzeug
deines friedens
aber was kam war der lästige streit mit der behörde
die ordnung will und nicht frieden
die tägliche mühsal um nichtigkeiten
und das schreckliche alleingelassenwerden
da wurden die werkzeuge des friedens
zu querulanten und lästigen störern
der schönen einstimmigkeit

viele haben es jetzt schon immer gewusst
dass nichts zu machen ist im rahmen kirche
wer kann schon jahrelang von manna leben
und keinen sinn sehen in dem was er tut

viele haben es satt und wünschen sich nach ägypten
wo steuern flossen wie milch und honig
und die kirchen voll waren und die lieder
von allen gekannt fröhlich klangen

wie lange soll der marsch noch dauern
was bedeutet das vierzig jahre
ist es unsere generation die verheizt wird
oder die nächste noch und wozu
lohnt sich das ziel für ein ganzes leben
voll mühe und konferenzen
kommen wir je heraus aus der erstarrung
immer nur sand und steine und keine menschen
die mit uns an der arbeit bleiben
die uns helfen eindeutig und öffentlich zu sprechen

wenig hilfe von unten selten verstanden zur seite
und von oben der uralte trick
jede frage zur sache als disziplinarfall zu nehmen
um herrschaft zu sichern und ordnung
und die unanständige sprache des einfachen volkes
fernzuhalten von allen kanzeln

die wüste durch die wir wandern
voll friedlosigkeit voll angst
voll ohnmacht voll verschleierung

o herr mach uns zum werkzeug deines friedens
werkzeug der konflikte nicht der einstimmigkeit
werkzeug der wahrheit nicht der umschreibenden
verhüllung
werkzeug des glücks nicht der einschläferung

lasst uns zusehen ob das geht

was wir brauchen für den frieden
wir wollen das jetzt mit dir besprechen gott
wir brauchen viel mehr freunde
um mehr frieden machen zu können
freunde aus verschiedenen klassen auch solche ohne
thomas mann
freunde aus verschiedenen konfessionen auch solche
mit rosenkränzen
freunde aus verschiedenen geschlechtern auch homos
und lesben
freunde mit verschiedenen interessen auch solche die wir
nicht mögen
freunde die miteinander eine vision teilen
vom frieden der herstellbar ist
freunde die glauben

bewahre uns vor dem romantischen irrtum gott
die freundschaft sei ein geschenk und vom himmel
und vor dem konservativen irrtum
sie wachse in langen jahren wie bäume
lehre uns erkennen das sie arbeit ist
und gebaut wird wie alles was gut ist für uns

wir brauchen freunde die wissen
dass man nicht alles mit ihnen machen kann
die eine stimme haben und mitbestimmen
die solidarität üben mit dem der gemaßregelt wird
die immer angstloser werden
und so den frieden verbreiten




ohne zu lügen

schaffe in mir gott ein neues herz
das alte gehorcht der gewohnheit
schaff mir neue augen
die alten sind verhext vom erfolg
schaff mir neue ohren
die alten registrieren nur unglück
und eine neue liebe zu den bäumen
statt der voller trauer
einen neue zunge gib mir
statt der gewaltverseuchten
die ich gut beherrsche
mein herz erstickt an der ohnmacht
aller die deine fremdlinge lieben
schaffe in mir gott ein neues herz
und gib mir einen neuen geist
dass ich dich loben kann
ohne zu lügen
mit tränen in den augen
wenns den sein muss
aber ohne zu lügen

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fluchtwege

der große irrtum

unsere rituale sind glücklicherweise nicht so dumm wie wir. wir glauben fälschlicherweise, wir feiern mit der hochzeit die macht der liebe. aber wenn es so wäre, dann sollten unsere freunde und verwandte einen großen festlichen kreis um uns bilden und "all you need is love" singen. sie sollten uns mit rosenblättern überhäufen und uns schließlich als paar mit langen perlenketten zusammenschnüren. aber so heiraten wir bekanntlich nicht. weil wir auch nicht die verbindende macht der liebe feiern, sondern unser "ja" füreinander. wir feiern eine entscheidung.

eine entscheidung zu fällen ist das eine. eine entscheidung durchzuhalten das andere. das wissen wir. aber liebe hätten wir dann doch gern als selbstgänger. obwohl wir ja alle das entschwinden von liebes-gefühlen erlebt haben. der blick in seine augen und plötzlich groovt nichts mehr. kein warmer, wabernder oder wirbelnder kick mehr. wer glaubt, die liebe bliebe einfach, der weiß noch sehr wenig.

um eine entscheidung durchzuhalten, müssen wir die entscheidung immer wieder neu fällen. jeder, der sein zimmer aufgeräumt hält, diät macht oder verständnisvoll mit seinen kindern umgeht, versteht das. und auch für unsere liebe müssen wir uns immer wieder entscheiden. wenn wir es nicht tun, dann flüchtet die liebe. denn liebe ist keine laue angelegenheit. entweder wir gehen immer wieder auf unseren liebespartner zu und sagen ja. oder wir weichen aus. dann entfernen wir uns und sagen im grunde nein. und befinden uns auf einem der fluchtwege, die aus der liebe herausführen. auf einem der fluchtwege der liebe.

die kleinen vermeider

um zwei uhr nachts stochert manfred immer noch mit der fernbedienung in den tv-kanälen herum. dralle blondinen strecken ihm ihre nippel entgegen, raunen: "komm, nimm mich!" und manfred hätte nichts dagegen. denn sex mit sabine ist nicht mehr der knüller für manfred. dabei mag manfred sex. und sabine. und sex mit sabine. aber seine liebste hat ihm verraten, dass ihr der sex mit ihm nicht mehr den richtigen kick bringt. er sei irgendwie abwesend, hat sie gesagt. na gut, er hatte viel zu arbeiten. und auf dem laufband war er auch auch schon monatelang nicht. kommt schon wieder, dachte er. aber dann lag er doch verunsichert neben ihr und konnte nicht schlafen. und wollte nicht mit ihr und nicht von ihr weg sein. und irgendwann dann hat er angefangen, länger aufzubleiben. und mittlerweile schlüpft er jeden abend erst ins bett, wenn sabine längst schläft. und morgens, wenn sie munter wird, ist er noch mürrisch und müde. sabine hat ihn schon oft aufgefordert, mit ihr ins bett zu kommen. aber manfred war dann immer noch nicht müde genug. irgendwann wird sich das schon wieder ändern, denkt manfred. und die nackte frau vor ihm verspricht, auf ihn zu warten.

wir flüchten aus der nähe nicht wie aus einem gewittersturm. wir geraten auf die fluchtwege, so wie wir in eine nebenstraße gelangen, weil wir einem stau ausweichen wollen. wir fühlen uns gekränkt und ziehen uns ein wenig zurück. wir sprechen nicht darüber, weil wir die harmonie erhalten wollen. wir beginnen, aneinander vorbeizuschauen. wir lesen beim gemeinsamen essen in der zeitung. verkriechen uns im bett mit krimis, statt noch miteinander zu sein. wir glauben uns auf einem rettungsweg, aber tatsächlich sind wir auf der flucht, weil wir aufeinander wütend, voneinander enttäuscht oder ängstlich sind. unsere gefühle aber bedrohen uns unbewußt, denn sie machen uns hilflos. also weichen wir aus. wir vermeiden intimität und nähe zum partner oder schaffen uns situationen, in denen wir unserem unbehagen entgehen können.

zuerst sind es die kleinen vermeider. sie hängt den ganzen abend mit ihren freundinnen am telefon. er kommt immer zu spät zum essen. sie ist oft müde und erschöpft und muss sich hinlegen. er lässt das handy für kundenanrufe immer an. sie reagiert nur noch flüchtig auf seine berührungen. er hat keine lust mehr auf den gemeinsamen tanzkurs. je unerfüllender die alltäglichen begegnungen und je leerer die die verbindenen rituale durch unser ausweichen werden, desto attraktiver werden die versteigerungen bei ebay und die squash-abende. wir weichen nicht einfach ins nichts aus, sondern in die emotional weniger fordernden, leichter zu kontrollierenden bereiche unserers lebens.


die flucht in den alltag

im job liegt immer viel arbeit an. und der garten, die wohnung, das haus müssen immer gepflegt werden. und genauso ist es mit kindern, sport, freunden, shoppen, musik, masturbieren, computerspielen oder ehrenämtern. kinder brauchen viel aufmerksamkeit. sport ist gesund. freunde sind wichtig. shoppen ist notwendig. masturbieren macht spaß. computerspiele entspannen. ehrenämter befriedigen. nichts davon ist notwendigerweise ein fluchtweg. aber alles kann zum fluchtweg werden.

jeden abend das gleiche ritual. jacke ablegen. küsschen für die liebste. post geguckt und dann den startbutton am pc gedrückt. und während er nur noch müde "na?" murmelt, wenn er ihre wange berührt, überfällt ihn angesichts neuer e-mails und virtueller abenteuer ein lebendiges prickeln. der computer ist längst sein bester freund. die virtuelle welt ist der fluchtweg, auf dem er allabendlich verschwindet. unerreichbar für seine partnerin. statt date mit der liebsten, updates von bill gates.
sie wird es bemerken. sie wird versuchen den fluchtweg zu blockieren. "immer hängst du vor dem computer", wird sie sagen, wenn sie schlecht kommuniziert, oder: "wir verbringen immer weniger zeit miteinander, das vermisse ich", wenn sie gut kommuniziert. die antworten kennt jeder: "du übertreibst mal wieder. ich hänge gar nicht immer vor dem pc", wird er sagen, wenn er schlecht kommuniziert, und: "ja, das finde ich auch schade, aber es bringt eben voll bock", wenn er gut kommuniziert.

"wovor fliehst du eigentlich?", könnte sie ihn fragen oder besser, "wovor fliehen wir eigentlich?", wenn sie verstanden hat, dass in einer partnerschaft die rollen aufgeteilt werden. in einen flüchtenden, der in der partnerschaft für freiheit und ungebundenheit eintritt. und in einen eher klammernden, der in der beziehung für die verbundenheit und annäherung zuständig ist. wenn sie am wochenende mrs. proper spielt und die kostbare gemeinsame zeit mit staubsauger-orgien füllt oder er jeden abend endlos den kindern vorliest. dann sind stets beide vor der nähe sicher, in der sich der zustand ihrer liebesbeziehung zeigen würde.

wir wissen ganz genau, wann wir uns verdrücken und wann wir wirklich uns wichtigen aktivitäten nachgehen. und auch, wann wir uns in für uns wichtige aktivitäten verdrücken. werden paare in der therapie gefragt, wie sie intimität vermeiden und wohin sie vor der nähe flüchten, dann wissen sie es meistens ganz genau. nicht nur von sich selbst, auch vom partner.
wenn sie sich jetzt fragen: "wie vermeide ich eigentlich nähe in der partnerschaft?", dann werden sie es also mit ziemlicher sicherheit wissen. falls sie aber doch völlig im beziehungsnebel stehen, dann fragen sie einfach ihren partner: "he, schatz, wie vermeide ich, mehr zeit mit dir zu verbringen?"

die zerstörerischen fluchtwege

wie ein netz von wasserwegen münden die kleinen fluchten in die "big four" der fluchtwege: lügen, trennungsdrohungen, drogen und affären. sie haben eine gemeinsamkeit: die macht, eine beziehung zu zerstören.
jan und lola waren schnell verliebt, schnell schwanger und schnell zusammengezogen. alles fühlte sich großartig an. nur das lola von der farbe der gardinen bis zu den vorlesebüchern der kinder und dem verhalten von jan überaus exakte vorstellung darüber hatte. und jan dummerweise keinerlei vorstellung darüber hatte, wie man wünschen einer partnerin begegnet, wenn man selbst andere hat. er war genervt, begann sich eingeengt und überflüssig zu fühlen, und genoss es umso mehr, mit seinen freunden um die häuser zu ziehen. wenn er dann spätnachts betrunken auftauchte, war lola stinksauer und drohte mit trennung. jan fühlte sich schuldig, ängstlich und strengte sich noch mehr an, lolas wünsche zu erfüllen. gleichzeitig fühlte er sich immer fremdbestimmter, unzufriedener. so zerrissen, fand er eine alte lösung aus seiner kindheit. der übergroßen kontrolle seines vaters hatte er sich auch nicht anders erwehren können. jan begann zu lügen. erst verbog er die wahrheit nur ein wenig. er hätte nicht eher zu hause sein können, weil der bericht noch rausmusste. er habe den termin nicht vergessen, aber sein handy sei abgestürzt. mit jeder lüge fühlte jan sich schlechter, schuldiger. mit jeder lüge wuchs der druck und wurde es schwieriger, zur wahrheit zurückzufinden. irgendwann flog alles auf. mit der affäre, die dazu gekommen war, als ohnehin schon nichts mehr stimmte. lola nahm das baby und einen koffer unter den arm und war innerhalb einer stunde verschwunden.

lügen zerstören die innere basis einer beziehung. das vertrauen. und damit die sicherheit, die offenheit und intimität erst ermöglicht. da kann der lügende noch so viele gute seiten haben, noch so liebevoll sein. die lüge schwebt wie eine ungesicherte lawinenwand über der parnerschaft. der seitensprung, die schulden, der verschwiegene blick ins tagebuch mögen für sich sogar verzeihbar sein. die lüge ist nicht das problem. sie ist, einmal aufgedeckt, schon geschichte. die möglichkeit der lüge ist es, die eine beziehung zerstört. wenn alles lüge sein kann, dann kann alles, was ich denke, fühle, tue und worauf ich mich verlasse, eine illusion sein.
jede beziehung braucht einen festen rahmen, einen verlässlichen spielraum: ich brauche unbedingte ehrlichkeit, um mich mit dir auseinandersetzen zu können. und ich brauche die sicherheit, dass du dich unserer auseinandersetzung stellst. und ich dabei nicht damit rechnen muss, dass du dich trennst.


trennungsdrohungen belasten eine beziehung auf ähnliche weise wie lügen. wenn jeder schritt, jede äußerung, das ende der beziehung bedeuten kann, geht die sicherheit verloren. der partner wird zum beziehungsschleicher, der es nicht mehr wagt, fest aufzutreten und seine ohnmächtige wut zu äußern. der über ihm schwebende trennungshammer treibt ihn geradezu aus der partnerschaft heraus.
die möglichkeit einer trennung begleitet jede partnerschaft von der ersten bis zur letzten minute. deshalb versichern wir uns einander. wir sprechen von ewigkeit und untrennbarkeit. wir bestätigen den partner in seiner einzigartigkeit, seinen nicht austauschbaren qualitäten, um ihm sicherheit zu geben und um selbst nicht ständig um unsere liebe zu bangen.
wer ständig mit trennung droht, vernichtet diese sicherheit. er konfrontiert seinen partner mit einer radikalen form von liebesentzug. wie eine mutter, die ihrem kind angst macht, dass es wieder an den klapperstorch zurückgegeben wird, wenn es unartig ist.
mit trennung zu drohen ist jedoch nur dann ein akzeptables mittel der auseinandersetzung, wenn damit eine trennung verhindert werden kann. um den letzten versuch in einer paartherapie zu starten. oder um einen ebenso zerstörerischen fluchtweg zu schließen. wie zum beispiel eine affäre oder drogenkonsum.


im grunde haben die beiden es gut. fast jeden abend sitzen die beiden zusammen und lassen den tag im gespräch an sich vorbeiziehen. jeder paarberater wäre begeistert. doch sie sind nie allein. immer steht freund rotwein auf dem tisch. "er hilft mir, mich zu entspannen. ich trinke doch nie viel", sagt er. und sie ist sich unsicher, ob ihr ärger berechtigt ist. zwei glas wein machen schließlich noch niemanden zum alkoholiker. oder? eigentlich ist ja nichts dabei. und doch irritiert es sie. es fällt ihr schwer ihren standpunkt zu begründen, ihr empfinden ernst zu nehmen und sich nicht kleinlich vorzukommen. muss nicht jeder selbst entscheiden dürfen? steht es ihr zu sich einzumischen? ist er nicht immer noch nüchtern? aber wieso trinkt er dann ständig? erst merkt sie es nicht, aber sie redet immer weniger über sich.

in jedem paar bei dem drogenkonsum eine rolle spielt, wird mit großer vehemenz und unerbittlichkeit um den drogenkonsum gerungen werden. denn wer trinkt, kifft oder kokst, hat eine daueraffäre mit einem stoff, gegen den kein partner der welt eine chance hat. und immer lebt der partner sowohl mit dem nüchternen geliebten als auch dem unter dem einfluss eines suchtmittels. und mit der unberechenbarkeit, die daraus resultiert. geht stefan wieder auf den balkon und zieht erstmal eine tüte gras durch, bevor er ins bett kommt? und heißt das, dass er nur noch stoned mit mir schlafen mag? schenkt sich rita immer erst einen doppelten ein, bevor wir sprechen, weil sie sonst auseinandersetzungen gar nicht erträgt? und wie viel wert sind ihre zusagen und ihr verständnis dann noch? stürzt peter doch wieder ab, wenn er mit seinen kumpels loszieht? und hat mit seinem voll gekoksten hirn grandios anmutenden sex auf der herrentoilette? und werden die stefans, ritas und peters dieser welt nicht gerade dann zu ihren chemischen geliebten greifen, wenn es mit den menschlichen schwierig wird? doch, werden sie. und wer das als partner leugnet, der sitzt tief in der falle der co-, der mitabhängigkeit.
drogen gehören zum leben. und nur spaßbremsen werden die stoffe gegen den beschwerlichen grauschleier des gewöhnlichen lebens vollständig verbannen wollen. deshalb wird in partnerschaften meistens verzweifelt darum gerungen, ob der trinkende partner schon als süchtig zu gelten hat oder nicht. einen müßige diskussion. süchtige leugnen immer, und selbst experten ziehen unterschiedliche grenzen. aber wenn mein partner mit 200km/h über die autobahn heizt und ich angst habe und mich unwohl fühle, dann will ich auch nicht diskutieren, ob eventuell eine geschwindigkeitssucht bei ihm vorliegt. dann habe ich ein recht darauf, dass er den fuß vom gaspedal nimmt. wir sitzen im selben auto. und in der partnerschaft sind wir genauso voneinander abhängig.
es gibt nur eine lösung. den eigenen fluchtweg, selber schließen. den konsum so einzuschränken, dass das vertrauen wieder hergestellt ist, dass der partner mit dem drogenkonsum entspannt und angstfrei leben kann. entscheidend ist, dass der fluchtweg droge die parnerschaft nicht bedroht.


bleibt der vierte zerstörerische fluchtweg. bleibt die affäre. es gibt keine biologische bremse, die verhindert, dass wir überall und jederzeit sex haben können. es gibt keine sicherheit dagegen, dass wir uns verlieben. gelegenheit macht liebe. der nette kollege, die neue assistentin, die freundin unseres besten freundes. in nähe und vertrautheit wächst die verbundenheit, findet die sehnsuchtsvolle erotik ihr ziel. wie mühevoll kann eine beziehung sein. wie verlockend einfach die nähe einer unverbrauchtem beziehung, die entdeckungsreise hin zu einer noch unbekannten person. verspricht er nicht alles, woran es uns mangelt? der fluchtweg affäre steht weit offen. und wenn wir ihn erstmal beschreiten, gehen wir leicht verloren. einmal verliebt, gibt es hormone satt, werden wir zu junkies, abhängigkeit der verliebtheit. und haben schlechte chancen, wieder zu unserem partner zurückzufinden.
mit begeisterung stürzen wir uns auf jede neue einsicht über die erotische software unter unserer schädeldecke. aber ob wir nun genetisch eher mit den treuen gorillas oder den jeden bespringenden kleinschimpansen verwandt sind, ob eifersucht angeboren ist oder beziehung auch ohne sex befriedigend sein können, es bringt uns nicht weiter. denn es ändert alles nichts an der entscheidend tatsache: wir können fremdgehen. oder wir können es lassen. nur unsere entscheidung sichert die partnerschaft.


eine partnerschaft hat erst wieder eine chance, wenn die lügen abgeschafft, die trennungsdrohungen ausgesetzt, die affäre beendet und die drogen überwunden sind. diese zerstörerischen fluchtwege müssen erst geschlossen werden, bevor eine beziehung wieder heilen kann.
aber halt, einen moment bitte! sind wir demnach nicht dauernd auf der flucht? behaupten wir mit dieser sichtweise nicht etwas, das wir vielleicht am allerwenigsten mit dem wort "liebe" verbinden: das liebe letztlich nur eine entsetzlich mühsame arbeit ist? und eiserne singles demnach die einzig intelligenten lebewesen auf unserem planeten wären? weil sie es offenbar verstehen, immer einen fluchtweg zu finden, um sich vor der schweißtreibenden beziehungsarbeit in den steinbrüchen der liebe zu drücken.
doch natürlich können wir liebe nicht schaffen, so wie wir pflanzen nicht wachsen lassen können.wir können nur die bedingungen schaffen, in der sie möglichst gut gedeihen kann. wir können mit unserer liebe achtsam und unachtsam umgehen. wir können unsere parnerschaft mit fluchtwegen durchlöchern wie termiten das fundament eines hauses. so dass der nächste sturm des lebens unsere liebe für immer einstürzen lässt. oder wir können die grundlage unserer liebe stabil und am leben halten. dann kann die liebe länger bleiben. und immer wieder zurückkehren.

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liebe und gleichheit

die armut, die so oft so viel elend verursacht, ist auch die quelle, aus der wir die erkenntnis der gerechtigkeit und das verständnis für das leben gewinnen. wenn du dir dessen bewusst wärest, mein armer freund, würdest du mit deinem geschick zufrieden sein.
ich spreche von der kenntnis der gerechtigkeit; denn der reiche ist zu sehr damit beschäftigt, besitztum anzuhäufen, als dass er diese kenntnis erwerben könnte.
und ich spreche vom verstehen des lebens; denn der starke eifert zu sehr nach macht und ruhm, als dass er dem geraden pfad der wahrheit folgen könnte.
freue dich also, mein armer freund, denn du bist das sprachrohr der gerechtigkeit und das buch des lebens. sei zufrieden, denn du bist die quelle der tugend für diejenigen, welche über dich herrschen, und der stützpfeiler der redlichkeit für jene, die dich führen.
wenn du sehen könntest, mein betrübter freund, dass das unglück, welches dir im leben widerfährt, die gleiche kraft ist, die dein herz erleuchtet und deine seele aus den niederungen des spottes zum thron der wertschätzung emporhebt, würdest du dein schicksal annehmen und es als ein vermächtnis betrachten, das dich bildet und weise macht.
denn das leben ist eine kette mit vielen verschiedenen gliedern. die trauer ist ein goldenes verbindungsstück der ergebenheit dem heute gegenüber und der verheißenen hoffnung auf künftiges. sie ist die morgendämmerung zwischen dem schlummern und dem erwachen.

mein armer freund, bedürftigkeit ist der nachweis für einen edlen geist, während reichtum die sünde fördert. gäbe es weder trauer noch armut, gliche die seele des menschen einer schreibtafel, auf der nur die zeichen der selbstsucht und des neids zu finden wären.
bedenke, dass die göttlichkeit das wahre selbst des menschen ist. sie kann nicht für gold erkauft werden; man kann sie auch nicht anhäufen wie die reichtümer der heutigen welt. der reiche hat seine göttlichkeit abgelegt und klammert sich an sein gold. und die jugend hat die göttlichkeit vergessen und folgt der selbstverwirklichung und den vergnügungen.
mein geliebter armer freund, die stunde, welche du mit deinem weib und deinen kindern verbringst, wenn du vom feld nach hause kommst, ist das unterpfand aller künftigen menschlichen familien; sie ist das zeichen des glücks, welches das los aller kommenden generationen sein wird.
das leben, das der reiche mit dem anhäufen von geld verbringt, gleicht in wahrheit dem leben der würmer im grab. es ist ein zeichen der furcht.
die tränen, die du vergossen hast , mein trauriger freund, sind reiner als das lachen dessen, der zu vergessen sucht, und süßer als der spott des zynikers.
diese tränen befreien die seele vom gifthauch des hasses und lehren den menschen, die not desjenigen zu teilen, dessen herz gebrochen ist. es sind die tränen des nazareners.
die stärke der reichen, deren grundstein du gelegt hast, wird in ferner zukunft dir zu eigen sein, denn nach der fügung der natur kehrt alles zu seinem ursprung zurück. so wird sich auch deine trauer gemäß himmlischer gesetze in freude kehren.

die bedeutung von liebe und gleichheit werden auch die kommenden geschlechter nur durch armut und trauer kennenlernen.

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schalten sie ihre taschenlampe aus

mein hauptmotiv, physik zu studieren, hatte damit zu tun, dass ich mich eigentlich für die philosophie entschlossen hatte. ich wollte erkennen, was die welt im innersten zusammenhält. und dann landet man bei der atomphysik oder bei den noch kleineren einheiten der atome, bei den atomkernen oder den elementarteilchen. [...]

bei werner heisenberg wurde ich wissenschaftler, fasziniert wie alle von der neuen physik, aber auch von der art und weise, wie heisenberg die physik betrieben hat. er sagte immer: wissenschaft wird von menschen gemacht. und das wesen der wissenschaft ist der dialog, immer wieder der dialog. da passiert das wesentliche und nicht nur beim studium der bücher. ich habe dann mit ihm über die fundamentale dynamik der materie arbeiten geschrieben - eine ganz aufregende zeit.

aber das wesentliche war, dass ich bei heisenberg sehr viel gelernt habe und wirklich einblick in die tiefen hintergründe der neuen physik erhielt. diese physik war nicht einfach nur ein neues paradigma, sie hat eine ganz andere grundstruktur, die sich nur schwer mit der sprache erklären lässt, die wir uns in unserer lebenswelt angeeignet haben. sie hat eine ganz andere struktur, keine ontologische struktur. im hintergrund dieser wirklichkeit gibt es nichts, was wirklich existiert, sondern es gibt nur die bewegung. es gibt nichts, was existiert, sondern es sind lediglich operatoren da, also ausdrücke für die metamorphose, die bewegung. es gibt nur verbundenheit. aber worte drücken das nur unvollkommen aus. verbundenheit, da fragt man sofort, was ist womit verbunden. diese problematik hat mich zur frage geführt, wie eigentlich diese neue sichtweise mit anderen vorstellungen in der geschichte der wissenschaft zusammenhängt.

im prinzip ist das meiste dessen, was heute in unserem denken eine rolle spielt, früher irgendwann schon einmal aufgetaucht. aber doch auf eine spezifisch andere art. meist - ich will das mal so ausdrücken - hat jemand einen zipfel der wahrheit erwischt und ist dann der versuchung erlegen, die erklärung zu verabsolutieren und ist damit ins abseits geraten, weil eine solche verabsolutierung eben nicht funktioniert. dann ist ein anderer aufgetreten und hat gesagt, dieses und jenes fehlt doch, und hat versucht, es in ein anderes korsett hineinzustopfen, was immer misslingt.

ich habe den eindruck, dass vielleicht der wesentliche unterschied zu den alten vorstellungen in dem besteht, was wir aus der modernen physik gelernt haben: dass wir vor widersprüchen keine angst haben sollen und nicht versuchen sollen, diese widersprüche auf einer gewissen ebene sozusagen loszuwerden. es muss auf eine art geschehen, bei der man eigentlich auf eine neue ebene gehen muss, so dass diese widersprüche nicht in dem eigentlichen sinne auftreten, sondern sich in dieser anderen form dann auf gewisse weise auflösen, aber auf eine art und weise, die nicht so einfach nachzuvollziehen ist.

heisenberg hat das mal in seinem buch "der teil und das ganze" ausgedrückt. er sagte, die moderne physik, die quantenphysik, die ist ein wunderbares beispiel dafür, wie man etwas mit aller klarheit verstanden haben kann. und mit dieser klarheit meinte er, dass wir als physiker ja immer noch die sprache der mathematik haben, mit der wir dinge sehr klar ausdrücken können. viele, die nicht genügend von der mathematik verstehen, haben leicht den eindruck, sie habe mit rechnen zu tun. aber die mathematik ist letztlich eine sprache, die keine aussagen über das trifft, was ist. ihre aussagen betreffen das wie, nicht das was. deshalb ist sie ideal geeignet für eine betrachtungsweise, in der das was, die materie, verschwindet und es lediglich auf die beziehungsstrukturen ankommt. und heisenberg sagt weiter: von den resultaten kann man nur in form von gleichnissen und bildern sprechen. die alltagssprache besitzt nicht die genauigkeit. das heißt, für mich ist die moderne physik ein denkbeispiel, wie wir diese schwierigkeit auflösen können, wenn widersprüche auftreten. [...]

mir kommt es manchmal vor, als ob wir durch die nacht laufen und angst haben, weil es so dunkel ist. wir glauben, aus der dunkelheit kommt etwas auf uns zu, das uns gefährlich werden kann. und dann kommen wir auf die idee, uns eine taschenlampe zuzulegen, weil wir glauben, je heller das licht der taschenlampe ist, umso weniger angst müssen wir haben. und es passiert genau das umgekehrte: wenn sie mit der taschenlampe durch die nacht gehen, haben sie noch mehr angst, denn das, was außerhalb des scheinwerfers liegt, ist noch viel schwärzer als vorher. wenn sie angst haben, schalten sie ihre taschenlampe aus, dann sehen sie ein bisschen weniger, aber sie können die ganze welt sehen, die um sie herum ist! das bild ist in dem sinne gemeint, dass wir annehmen, dass die wirklichkeit so ist, dass sie für uns wissbar ist, dass das, was wir wissen nennen, auf die wirklichkeit anwendbar ist. aber das ist nicht der fall. es ist nur für einen gewissen teil anwendbar. die wirklichkeit ist viel größer. warum soll sie sich kümmern darum, so beschaffen zu sein, dass wir sie verstehen, sie begreifen können. aber weil wir teil der wirklichkeit sind, haben wir trotzdem zugang auch zu dieser wirklichkeit.

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...eine frau läuft über wasser,

rennend

...außer atem,

schmerzverzerrtes gesicht

rennen

rhythmus

eilende schritte

gleich

schnaufenden alten dampftriebwagen

schemenhaft

konturen,

...verzerrt von geschwindigkeit


rennen


...eine frau rennt nach leben,

zarte tiefe klänge

gleich

der tiefe und den sanften wiegenden wellen

meeresoberfläche

durchfließen den harten takt hämmernder schritte

gleich

frühlingsblättern in der abendlichen brise

schwingt

in ihrem innersten ...erinnerung,

welche keine ist,

mit diesem klang

zu einer melodie,


...eine frau läuft über meer


sie ...hört auf zu rennen...

und

bleibt stehen,

stehen bleiben

ungeachtet

des pochens

der weiteren schritte ...in ihrem inneren


und


bleibt

stehen,

eine frau steht auf meer,



und steht still.



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gedichte

ICH lebe mein leben in wachsenden ringen,
die sich über die dinge ziehn.
ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

ich kreise um gott, um den uralten turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein falke, ein sturm
oder ein großer gesang.

ICH habe viele brüder in sutanen
im süden, wo in klöster lorbeer steht.
ich weiß, wie menschlich sie madonnen planen,
und träume oft von jungen tizianen,
durch die der gott in gluten geht.

doch wie ich mich auch in mich selber neige:
mein gott ist dunkel und wie ein gewebe
von hundert wurzeln, welche schweigsam trinken.
nur, dass ich mich aus seiner wärme hebe,
mehr weiß ich nicht, weil alle meine zweige
tief unten ruhn und nur im winde winken.

wir dürfen dich nicht eigenmächtig malen,
du dämmernde, aus der der morgen stieg.
wir holen aus den alten farbenschalen
die gleichen striche und die gleichen strahlen,
mit denen dich der heilige verschwieg.

wir bauen bilder vor dir auf wie wände;
so dass schon tausend mauern um dich stehn.
denn dich verhüllen unsre frommen hände
sooft dich unsre herzen offen sehn.

MEIN leben ist nicht diese steile stunde,
darin du mich so eilen siehst.
ich bin ein baum vor meinem hintergrunde,
ich bin nur einer meiner vielen munde
und jener, welcher sich am frühsten schließt.

ich bin die ruhe zwischen zweien tönen,
die sich nur schlecht aneinander gewöhnen:
denn der ton tod will sich erhöhn -

aber im dunklen intervall versöhnen
sich beide zitternd.

und das lied bleibt schön.

ICH finde dich in allen diesen dingen,
denen ich gut und wie ein bruder bin;
als samen sonnst du dich in den geringen
und in den großen giebst du groß dich hin.

das ist das wundersame spiel der kräfte,
dass sie so dienend durch die dinge gehen:
in wurzeln wachsend, schwindend in die schäfte
und in wipfeln wie ein auferstehn.

ICH liebe dich, du sanftestes gesetz,
an dem wir reifen, da wir mit ihm rangen;
du großes heimweh, das wir nicht bezwangen,
du wald, aus dem wir nie hinausgegangen,
du lied, das wir mit jedem schweigen sangen,
du dunkles netz,
darin sich flüchtend die gefühle fangen.

du hast dich so unendlich groß begonnen
an jenem tage, da du uns begannst, -
und wir sind so gereift in deinen sonnen,
so breit geworden und so tief gepflanzt,
dass du in menschen, engeln und madonnen
dich ruhend jetzt vollenden kannst.

laß deine hand am hang der himmel ruhn
und dulde stumm, was wir dir dunkel tun.

WERKLEUTE sind wir: knappen, jünger, meister,
und bauen dich, du hohes mittelschiff.
und manchmal kommt ein ernster hergereister,
geht wie ein glanz durch unsre hundert geister
und zeigt uns zitternd einen neuen griff.

wir steigen in die wiegenden gerüste,
in unsern händen hängt der hammer schwer,
bis eine stunde uns die stirnen küsste,
die strahlend und als ob sie Alles wüsste
von dir kommt, wie der wind vom meer.

dann ist ein hallen von dem vielen hämmern
und durch die berge geht es stoß um stoß.
erst wenn es dunkelt lassen wir dich los:
und deine kommenden konturen hämmern.

gott du bist groß.


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bei der gestapo

27. februar, freitag morgen 10 uhr.
[...] am mittwochmorgen in aller frühe standen wir in einer großen gruppe im lokal der gestapo, die lebensumstände waren in diesem augenblick für alle von uns dieselben. wir waren alle im selben raum, die männer hinter dem pult ebenso wie die befragten. aber das leben eines jeden war durch die art bestimmt, wie er sich innerlich dazu stellte. am meisten fiel ein hin- und herlaufender junger mann mit unzufriedenem gesicht auf, er verbarg seine unzufriedenheit keineswegs und wirkte aufgeregt und gequält. er suchte nach vorwänden, um die unglücklichen juden anzuschreien: "hände aus den taschen, bitte..." usw. ich fand ihn bedauernswerter als die angeschrienen, und diese nur insofern bedauernswert, als sie angst hatten. als ich vor sein pult trat, brüllte er mich plötzlich an: "was finden sie hier lächerlich." ich hätte gern gesagt: "außer ihnen finde ich nichts lächerlich hier", aber aus diplomatischen erwägungen erschien es mir besser, das zu unterlassen. "sie lachen ja fortwährend", brüllte er weiter. und ich ganz unschuldig: "dessen bin ich mir gar nicht bewusst, das ist mein gewöhnliches gesicht." und er: "machen sie keinen blödsinn, bitte, gehen sie rrraus", mit einem gesicht wie: mit dir rede ich noch. und das war vermutlich der psychologische moment, in dem ich todesangst hätte bekommen müssen, aber ich hatte den trick zu rasch durchschaut.
ich habe eigentlich keine angst. nicht weil ich besonders tapfer wäre, sondern in dem gefühl, dass ich es immer noch mit menschen zu tun habe und dass ich versuchen will, jede äußerung zu verstehen, von wem sie auch sei, sofern mir das möglich ist. und das war wieder ein historischer moment an diesem morgen: nicht dass ich von einem unglücklichen gestapoburschen angeschrien wurde, sondern dass ich darüber keineswegs entrüstet war und eher mitleid mit ihm hatte, so dass ich ihn am liebsten gefragt hätte: war deine jugend denn so unglücklich, oder hat dein mädchen dich betrogen? er sah gequält und aufgeregt aus, übrigens auch recht unangenehm und schlapp. am liebsten hätte ich ihn gleich in psychologische behandlung genommen, wobei mir sehr stark bewusst war, dass solche burschen nur bedauernswert sind, solange sie nichts böses anrichten können, aber lebensgefährlich, wenn sie auf die menschheit losgelassen werden. verbrecherisch ist nur das system, das sich dieser kerle bedient. und wenn vom ausrotten die rede ist, dann sollte das böse im menschen und nicht der mensch ausgerottet werden.

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glück oder unglück?

in einem chinesischen dorfe lebte ein alter mann, der ein wunderschönes, weißes pferd besaß. darum beneideten ihn selbst die fürsten.
der greis lebte in ärmlichen verhältnissen, doch sein pferd verkaufte er nicht, weil er es als freund betrachtete.

als das pferd eines morgens verschwunden war, erzählte man sich im ganzen dorf: "schon immer haben wir gewusst, dass dieses pferd eines tages gestohlen würde. welch ein unglück für diesen alten mann!"
"soweit dürft ihr nicht gehen", erwiderte der alte mann. "richtig ist, dass das pferd nicht mehr in seinem stall ist, alles andere ist urteil. niemand weiß, ob dies ein unglück ist oder ein segen!"

nach zwei wochen kehrte der schimmel, der nur in die wildnis ausgebrochen war, mit einer schar wilder pferde zurück.
"du hast recht gehabt, alter mann", sprach das ganze dorf, "es war ein segen, kein unglück!"
darauf erwiderte der greis: "ihr geht wieder zu weit. tatsache ist nur, dass das pferd zurückgekehrt ist."

der alte mann hatte einen sohn, der nun mit diesen pferden zu arbeiten begann. doch bereits nach einigen tagen stürzte er von einem pferd und brach sich beide beine. im dorf sprach man nun: "alter mann, du hattest recht, es war ein unglück, denn dein einziger sohn, der dich im alter versorgen könnte, kann nun seine beine nicht mehr gebrauchen."
darauf antwortete der mann: "ihr geht wieder zu weit. sagt doch einfach, dass sich mein sohn die beine gebrochen hat. wer kann denn wissen, ob dies ein unheil ist oder ein segen?"

bald darauf brach im lande ein krieg aus. alle jungen männer wurden in die armee aufgeboten. einzig der sohn des alten mannes blieb daheim, weil er ein krüppel war. die bewohner des dorfes meinten: "der unfall war ein segen, du hattest recht."
darauf entgegnete der alte mann: "warum seid ihr vom urteilen so besessen? richtig ist nur, dass eure söhne ins heer aufgeboten wurden, mein sohn jedoch nicht. ob dies ein segen oder ein unglück ist, weiß nur gott."

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ein lichtblick

19. februar 1942, donnerstag mittag, 2 uhr.
was heute den größten eindruck auf mich gemacht hat, waren die großen lilafarbenen winterhände von jan bool. wieder war jemand zu tode gefoltert worden, der sanftmütige mann von cultura. ich erinnere mich noch, dass er mandoline spielte. seinerzeit hatte er ein nettes mädchen, das inzwischen seine frau geworden ist, und ein kind ist auch da. "die bestien", sagte jan bool auf dem vollen korridor der universität. sie haben ihn kaputtgemacht. wie auch jan romein und tielroy und noch einige andere zerbrechliche alte professoren. in derselben veluwe-landschaft, in der sie früher ihre sommerferien in einer freundlichen pension verbrachten, leben sie jetzt in einer zugigen baracke als gefangene. sie dürfen nicht einmal ihren eigenen pyjama tragen, sie dürfen nichts von ihrem eigentum behalten, erzählte aleida schott im kaffeezimmer. sie sollen dadurch völlig verstört werden und ein minderwertigkeitsgefühl bekommen. [...]
es war heute morgen sehr trostlos im college. aber doch nicht völlig trostlos, einen lichtblick gab es. ein kurzes, zufälliges gespräch mit jan bool in der kalten, engen langebrugsteeg und an der straßenbahnhaltestelle. "was ist das im menschen, das die anderen vernichten will?" fragte jan verbittert.
ich sagte: "die menschen, ja die menschen, aber denke daran, dass du auch zu ihnen gehörst." und gegen meine erwartung gab er das zu, er, der bockige, mürrische jan. "und die schlechtigkeit der anderen ist auch in uns vorhanden", predigte ich weiter. "ich sehe keine andere lösung, ich sehe wirklich keine andere lösung, als sich dem eigenen inneren zuzuwenden und dort all das schlechte auszurotten. ich glaube nicht mehr daran, dass wir an der äußeren welt etwas verbessern können, solange wir uns nicht selbst im inneren gebessert haben. das scheint mir die einzige lehre dieses krieges zu sein. dass wir gelernt haben, das übel nur in uns selbst zu suchen und nirgendwo anders."
und jan stimmte mir ausnahmsweise zu, er war zugänglich und stellte fragen, statt mir wie früher mit knochenharten sozialen theorien zu kommen. und er sagte: "es ist so schäbig, sich seinen rachegefühlen zu überlassen. sein leben nur auf den einen augenblick der rache auszurichten. das nützt uns doch auch nichts."
wir standen in der kälte und warteten auf die straßenbahn, jan mit seinen großen lilafarbenen winterhänden und zahnschmerzen. und es waren keineswegs theorien, die wir verkündeten. unsere professoren sind verhaftet, wieder war ein freund von jan umgebracht worden, und noch viel anderes könnte man aufzählen. und wir sagten zueinander: "die rachegefühle sind so schäbig." das ist heutzutage doch wirklich ein lichtblick.

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suche nichts als ein reines, einfaches entsinken

suche nichts als ein reines, einfaches entsinken
in das reine, einfache, unbekannte, namenlose,
verborgene gut, das gott ist,
und in alles, was sich in ihm enthüllen mag.

alles soll sich an sein nichts halten:
nichts wissen, nichts erkennen, nichts wollen,
nichts suchen, nichts haben wollen.
suche weder empfindung noch erleuchtung!
entsinke in dein nicht-wissen
und nicht-wissen-wollen!

die tiefe, die in gott ist,
ist ein solcher abgrund,
dass aller geschaffene verstand
sie nicht zu erreichen
noch zu ergründen vermag.
dieser tiefe soll der mensch begegnen
mit der eigenen tiefe:
das ist, dem grundlosen abgrund
einer unergründlichen selbstvernichtung.

das heißt: könnte er ganz
zu einem lauteren nichts werden,
das hielte er für recht und billig.

das kommt aus der tiefe
und der erkenntnis seines nichts.

johannes tauler

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von der religion

und ein alter priester sagte: »sprich zu uns von der religion.«
und er erwiderte: »habe ich denn heute von etwas anderem gesprochen?
sind nicht alle handlungen und alles sinnen religion,
und auch alles, was weder tätigkeit noch nachdenken ist, sondern ein wunder und ein staunen, das beständig der seele entspringt, selbst während die hände den stein behauen?
wer kann seinen glauben von seinen taten trennen, oder seine überzeugung von seinem tun?
wer kann seine stunden vor sich ausbreiten und sagen: >dies ist für gott, und dies ist für mich, dies für meine seele, und jenes andere für meinen körper?<
all eure stunden sind schwingen, die von ich zu ich durch den raum schlagen.
wer seine moral nur wie sein bestes gewand trägt, der ginge besser nackt.
der wind und die sonne werden ihm schon keine löcher in die haut reißen.
und wer sein verhalten nach den sittenlehren richtet, der sperrt seinen singvogel in einen käfig.
doch selbst das freieste lied dringt nicht durch gitterstäbe und draht.
und der, für den die anbetung ein fenster ist, das man öffnen, aber genausogut verschließen kann, der hat das haus seiner seele noch nicht aufgesucht, dessen fenster von einer morgenröte zur anderen reichen.

euer tägliches leben ist euer tempel und eure religion.
wann immer ihr ihn betretet, nehmt euren besitz mit.
nehmt den pflug, den amboß, den hammer und die laute,
das, was ihr aus notwendigkeit oder zu eurer freude geschaffen habt.
denn in tagträumen vermögt ihr euch weder über eure leistungen hinaus zu erheben noch tiefer zu stürzen als euer scheitern.
und nehmt alle menschen mit euch:
denn in der andacht könnt ihr weder höher fliegen als ihre hoffnungen sind, noch euch tiefer erniedrigen als ihre verzweiflung.

und wenn ihr gott kennenlernen wollt, dann macht euch nicht daran, rätsel zu entziffern.
schaut euch lieber um, und ihr werdet sehen, wie er mit euren kindern spielt.
und seht in den himmel, und ihr werdet ihn auf den wolken wandeln sehen, seine arme mit dem blitz recken und im regen hinabsteigen.
ihr werdet sehen, wie er in den blumen lächelt, dann emporsteigt und euch aus den bäumen zuwinkt.«

khalil gibran

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während wir schlafen,

...in den gebäuden unserer besitztümer,
unserer überzeugungen,
unserer abhängigkeiten,
und bequemen, tröstlichen denkweisen
und sicherheiten

- brichst, du, immer wieder ein.

und tagsüber, streben wir dann weiterhin,
nach sicherheit - und üben uns,
im verzweifeln zwischen dem
was wir wollen
und dem was du uns schenkst.

- und du brichst immer wieder, von neuem ein,

meistens nehmen wir dich so wenig wahr,
wie den leisesten dieb in der nacht
und bei tage,
wenn wir nach unseren tagträumen streben,
von ihnen gefangen
sind.

- du brichst immer wieder ein,

da rein, wo wir wirklich sind,

brichst ab, brichst auf,

du kannst nicht anders

- als uns aufwecken,

du wirkst,auch wenn du schreist,
in uns und durch uns, mit uns gefangen bist, dir selbst,
immer da bist, dich zu befreien suchst,
dich bemerkbar machst,
dir selbst im anderen,
hinzu...sehen meine schwester und meinen bruder,
dich, in ihnen be-rühren,
diesen schmerz deines einbruchs - heilen.
und du übst dich, mit uns, in unendlicher geduld, liebevoll - wartend - jedes einatmens und ausatmens,

- aufwachens.

danke - du, der du der bist, der immer ist,
wo ich bin.

ein mensch

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wir leiden unmengen von schmerz

allein dadurch,
daß wir gegen die tatsache des todes,
des vergehens und endens - kämpfen - denken.


und doch ist es ebenso, gerade
- diese tatsache,
diese tatsache allein,
welche uns von diesem leid
immer wieder
zu befreien vermag.

ein mensch

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denk dir ein bild

weites meer,
ein segelschiff setzt seine weißen segel
und gleitet hinaus in die offene see.
du siehst, wie es kleiner und kleiner wird.
wo sich wasser und himmel treffen,
verschwindet es.
da sagt jemand: nun ist es gegangen.
ein anderer sagt: es kommt.

nach peter streiff

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nur im alleinsein ist unschuld

die meisten von uns sind nie allein. sie können sich in die berge zurückziehen und als einsiedler leben, aber wenn sie körperlich allein sind, sind alle ihre vorstellungen und erfahrungen, ihre traditionen und ihr wissen über das, was war, bei ihnen. der christliche mönch ist nicht unbedingt allein in seiner klosterzelle. seine vorstellung von jesus, seine theologie mit den glaubenssätzen und dogmen seiner spezifischen konditionierung sind bei ihm. dasselbe gilt für den indischen sannyasin, der sich von der welt zurückzieht und in der abgeschiedenheit lebt. oder, der von der welt verlassene. er ist nicht allein, denn auch er lebt mit seinen erinnerungen.

ich spreche von einem alleinsein, in dem der geist vollkommen frei von der vergangenheit ist. und nur ein solcher geist ist tugendhaft im eigentlichen sinne des wortes, denn nur in diesem alleinsein findet sich unschuld. vielleicht sagen sie: "das ist zu viel verlangt. so kann man nicht in dieser chaotischen welt leben, wo man jeden tag ins büro gehen muss, den lebensunterhalt verdienen muss, kinder aufziehen muss, das nörgeln der ehefrau oder des ehemannes aushalten muss und was sonst noch alles." aber ich glaube, dass das eben gesagte einen direkten bezug zum täglichen leben und handeln hat, sonst wäre es völlig wertlos. in diesem alleinsein kommt eine tugend zum vorschein, die kraftvoll ist und ein außergewöhnliches empfinden von reinheit und sanftmut mit sich bringt.

es spielt keine rolle, ob man fehler macht, das ist überhaupt nicht wichtig. worauf es ankommt, ist, dass man dieses gefühl hat, vollkommen allein und innerlich nicht verunreinigt zu sein, denn nur ein solcher geist kann das erfahren oder sich dessen bewusst sein, was über das wort, über die bezeichnung und über die vorstellungen der einbildungskraft hinausgeht.

ein mensch

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wie man tag und nacht unterscheidet

ein guru fragte seine schüler, wie sie das ende der nacht vom beginn des tages unterscheiden könnten.
einer sagte: "wenn man in der entfernung ein tier sieht und erkennt, ob es eine kuh oder ein pferd ist."

"nein", sagte der guru.

"wenn man in der entfernung einen baum sieht und erkennt, ob es ein paternosterbaum oder ein mango ist."

"wieder falsch", sagte der guru.

"also, wie dann?", fragten die schüler.

"wenn man in das gesicht eines mannes blickt, und darin seinen bruder erkennt; wenn man in das gesicht einer frau blickt und in ihr seine schwester erkennt. wer dazu nicht fähig ist, für den ist - wo immer die sonne auch stehen mag - nacht."

ein mensch

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geh, verlass die heimat

geh, verlass die heimat,
die welt, darin du geboren bist,
darin du dich eingerichtet hast -
das haus voll von den namen der dinge,
die um dich sind,
lass alles,
was dir die sprache über sie zu wissen gibt,
lass auch alles,
was dir die wissenschaft über sie vorspricht,
lass auch die begriffe,
mit denen du nach den dingen greifst -
lass dieses haus hinter dir, geh!

dann wirst du, vielleicht wirst du dann dem anderen begegnen, für das du weder namen noch wissen noch begriffe hast, dem ur- und ingründig wirklichen und wirkenden begegnen.

du wirst - schauen - dann ist kein ding mehr,
was es dir zuvor gewesen,
ein jedes,
eins um das andere,
wird dir einen namen sagen,
den du nicht nachsprechen
kannst.

und dann wird dir, vielleicht wird dir dann aus allem
und jedem,
das um dich ist, das unnennbare erscheinen,
und du wirst jene stimme hören,
die du noch nie gehört,
sehr nah und gewaltig wirst, du sie rufen hören:
ICH BIN DA!

fridolin stier

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der gefangene löwe

ein löwe geriet in gefangenschaft und wurde in ein lager gebracht, wo er zu seinem erstaunen noch andere löwen antraf, die schon jahrelang dort waren, einige sogar ihr ganzes leben, denn sie waren dort geboren. er lernte bald die sozialen betätigungen der lagerlöwen kennen. sie schlossen sich in gruppen zusammen. eine gruppe bestand aus den gesellschaftslöwen; eine andere ging ins showgeschäft; wieder eine andere betätigte sich kulturell, um die bräuche, die traditionen und die geschichte jener zeiten zu bewahren, als die löwen in freiheit lebten. andere gruppen waren religiös - sie kamen zusammen, um zu herzen gehende lieder zu singen von einem künftigen dschungel ohne zäune. einige gruppen fanden zulauf von denen, die sich von natur aus für literatur und kunst interessierten; wieder andere waren revolutionär gesonnen, sie trafen sich, um sich gegen ihre wärter zu verschwören oder gegen andere revolutionäre gruppen pläne zu schmieden. ab und zu brach eine revolution aus, die eine oder andere gruppe wurde ausgelöscht, oder alle wärter wurden umgebracht und durch andere ersetzt.

als sich der neuankömmling umsah, bemerkte er einen löwen, der stets tief in gedanken versunken schien, ein einzelgänger, der keiner gruppe angehörte und sich meistens von allen fernhielt. es war etwas seltsames um ihn, das sowohl die bewunderung der anderen hervorrief, aber auch ihre feindseligkeit, denn seine gegenwart erzeugte angst und selbstzweifel. er sagte zu dem neuankömmling: "schließ dich keiner gruppe an. diese armen narren kümmern sich um alles, bloß nicht um das wesentliche."

"und was ist das?", fragt der neuankömmling. "über die art des zaunes nachzudenken."

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der bauchnabel

weißt du eigentlich wie der bauchnabel in deinen bauch gekommen ist?
als gott alle menschen gemacht hat, mussten sie sich alle noch einmal aufstellen. der ganze himmel war voll mit unzählig vielen menschen. große und kleine, dicke und dünne. jeder war ganz anders und ganz einmalig.
und dann ist gott von mensch zu mensch gegangen. er hat sie angesehen, ganz lange, und hat gesehen, dass sie alle wunderschön waren. richtige meisterwerke.
und dann hat gott jedem mit dem finger auf den bauch getippt und hat gesagt: "und dich hab ich lieb. und dich hab ich lieb. und dich hab ich lieb..."

ein mensch

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das kleine bäumchen

es war an einem frühlingsnachmittag, als ich im sonnendurchstrahlten wald spazieren ging. ich genoss die herrliche frische inmitten der großen, alten bäume, die sich nun anschickten, ihr prächtiges grün zu entfalten. mein weg führte mich auch wieder zu einem kleinen bäumchen, das etwas verloren und unsicher zwischen den mächtigen stämmen auf einer kleinen lichtung stand. ich wäre vorbeigegangen, doch war es mir schon öfter aufgefallen. ich kannte es gut. es war klein und von unförmiger gestalt. mühevoll hatte es für den frühling einige knospen ausgebildet. so hatte ich es schon im letzten jahr anschauen müssen. nein, gewachsen war es eigentlich nicht. es bleibt eben das kleine bäumchen auf der lichtung, dachte ich mir und konnte es mir nicht verkneifen, dieses endlich einmal auszusprechen - irgendjemand musste es ihm doch einmal sagen!
"wie komisch du doch gewachsen bist", fing ich an. "willst du etwa ein großer baum werden? schau dich doch einmal um! die großen bäume mit starkem stamm und aufrechtem wuchs. der wind rauscht in ihren höhen und die tiere des waldes suchen schutz unter ihrem dach - das sind bäume! du aber bist nichts als klägliches gestrüpp! welcher vogel würde sich auf dir niederlassen wollen?"
auf diese weise versuchte ich es zu überzeugen, weil es mir leid tat. es musste mich einfach verstehen, denn die sinnlosigkeit seiner mühen war so offensichtlich.
doch in den darauf folgenden tagen schickte sich dieses dickköpfige bäumchen an, meinen gut gemeinten ratschlag schlichtweg zu ignorieren. es tat so, als hätte es nichts von alledem gehört und machte es den großen bäumen nach: bildete trotzig und unter großen anstrengungen kleine triebe und blättchen aus; streckte sich gierig dem licht entgegen. ich sah nun ein, dass es keinen zweck mehr hatte, weiter auf das bäumchen einzureden. es soll doch selber sehen, wie es fertig wird, dachte ich mir. denkt es wirklich, es wird jemals ein baum werden?
"das glaubst du doch selber nicht!", rief ich noch zum abschied.


gedanken zur geschichte

manchmal denke ich, ich müsste so sein, wie die großen alten bäume: selbstsicher, standfest, voller lebenskraft den winden trotzend; nistplatz für die vögel des himmels. ich möchte besonders sein, außergewöhnliches sagen und bewirken. doch: so, wie die großen alten bäume, erlebe ich mich oft nicht.
wie wenig ich doch gewachsen bin, denke ich dann. wie unfertig ich bin, unsicher und gar nicht groß; schon gar nicht außergewöhnlich: "du willst ein großer baum sein? nichts als klägliches gestrüpp bist du!"

auf einem spaziergang fragte ich mich einmal, ob ich mit den kleinen bäumchen am wegrand auch so umgehen würde, wie manchmal mit mir selbst. würde ich an eines dieser bäumchen herantreten und zu ihm sagen: "eine große, mächtige eiche solltest du sein, nicht dieses kleine pflänzchen, das du jetzt bist"?

das kleine bäumchen auf der lichtung lässt sich in der geschichte nicht auf eine solche perspektive ein. es versucht auch keine großen taten zu vollbringen, um sich aufzuschwingen in den kreis der baumriesen. es weiß, dass es nicht allein in seiner macht liegt zu wachsen. es kennt seine bedürftigkeit nach licht, wasser und nahrung und tut etwas ganz einfaches: es bildet blätter und wurzeln aus und streckt sich mit seinem begrenzten vermögen licht und nahrung entgegen. ja, vielleicht wird es wirklich nie ein großer baum werden. licht und wasser könnten ihm genommen werden, der wind könnte es umknicken und waldarbeiter es ausreißen. doch es ist nicht die hoffnung, dass es gut ausgeht, die das bäumchen wachsen lässt. es ist das schlichte vertrauen, dass sein leben, sein wachsen - mag es auch noch so unscheinbar und klein erscheinen - wertvoll ist: dass es absolut gut ist, in seinen eigenen grenzen zu leben, zu wachsen und zu reifen.

dieses vertrauen wünsche ich uns auf unserem weg.

michael schriewer

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der kürzere weg

folge dem kürzeren weg:
ohne sich gedanken zu machen
oder sonst etwas,
nur in einem inneren,
ganz gelassenen,
stillen schweigen.

in einem nach innen gekehrten gemüt
und einem lauteren abwarten,
was gott im menschen wirken will
an lauterstem
am innerstem,
wie es ihm gefällt.

johannes tauler

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spuren am weg

es war einmal ein vater, der zwei söhne hatte. je älter und gebrechlicher er wurde, desto mehr dachte er über sein leben nach. und manchmal kamen ihm zweifel, ob er seinen söhnen wohl das wichtigste für ihr leben weitergegeben hatte.

weil ihm diese frage nicht losließ, beschloss der vater seine söhne mit einem besonderen auftrag auf eine reise zu schicken. er ließ sie zu sich kommen und sagte: "ich bin alt und gebrechlich geworden. meine spuren und zeichen werden bald verblassen. nun möchte ich, dass ihr in die welt hinaus geht und dort eure ganz persönlichen spuren und zeichen hinterlasst."

die söhne taten, wie ihnen geheißen und zogen hinaus in die welt.

der ältere begann sogleich eifrig damit, grasbüschel zusammenzubinden, zeichen in bäume zu schnitzen, äste zu knicken und löcher zu graben, um seinen weg zu kennzeichnen.

der jüngere sohn jedoch sprach mit den leuten, denen er begegnete, er ging in die dörfer und feierte, tanzte und spielte mit den bewohnern.

da wurde der ältere sohn zornig und dachte bei sich: "ich arbeite die ganze zeit und hinterlasse meine zeichen, mein bruder aber tut nichts."

nach einiger zeit kehrten sie zum vater zurück.

der nahm dann gemeinsam mit seinen söhnen seine letzte und beschwerliche reise auf sich, um ihre zeichen zu sehen.

sie kamen zu den gebundenen grasbüscheln. der wind hatte sie verweht und sie waren kaum noch zu erkennen. die gekennzeichneten bäume waren gefällt worden und die löcher, die der ältere der beiden söhne gegraben hatte, waren fast alle bereits wieder zugeschüttet.

aber wo immer sie auf ihrer reise hinkamen, liefen kinder und erwachsene auf den jüngeren sohn zu und freuten sich, dass sie ihn wiedersahen und luden ihn zum essen und zum feiern ein.

am ende der reise sagte der vater zu seinen söhnen: "ihr habt beide versucht, meinen auftrag, zeichen zu setzen und spuren zu hinterlassen, zu erfüllen. du, mein älterer, hast viel geleistet und gearbeitet, aber deine zeichen sind verblichen. du, mein jüngerer, hast zeichen und spuren in den herzen der menschen hinterlassen. diese bleiben und leben weiter."

stiegler herbert, nach einem afrikanischen märchen, leicht umgeschrieben

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himmel und hölle

ein grosser harter samurai ging einmal einen kleinen mönch besuchen.

"mönch, sagte er in einem ton, der sofortigen gehorsam gewohnt war,
"lehre mich etwas über himmel und hölle!"

der mönch sah zu dem mächtigen krieger auf und entgegnete voller verachtung:

"dich etwas über himmel und hölle lehren? überhaupt nichts könnte ich dich lehren.
du bist schmutzig. du stinkst. deine klinge ist rostig. du bist eine scham und schande für die klasse der samurai.
geh mir aus den augen. ich kann dich nicht ertragen."

der samurai war wütend. er zitterte, wurde ganz rot im gesicht, war sprachlos vor wut.
er zog sein schwert und hob es in die höhe, um den mönch damit zu erschlagen.

"das ist die hölle." sagte der mönch sanft.

der samurai war überwältigt. das mitgefühl und die ergebenheit dieses kleinen mannes,
der sein leben hergab, um ihm diese lehre zu geben und ihm die hölle zu zeigen!
langsam senkte er sein schwert, erfüllt von dankbarkeit und plötzlichem frieden.

"und das ist der himmel", sagte der mönch sanft.

ein mensch

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warum erkennen wir es nicht?

"ist es möglich, das göttliche zu sehen?"
"du siehst es doch jetzt."
"warum erkennen wir es nicht?"
"weil du es mit hilfe der gedanken verstellst."
die menschen schüttelten verständnislos den kopf. daraufhin sagte ein anderer mensch:
"wenn der nordwind bläst, wird wasser zu einem starren block, der eis heißt. wenn das denken einsetzt, zersplittert die wirklichkeit in millionen starre stücke, die `dinge´ heißen."

ein mensch

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die schuldfrage

ein mensch ging eine straße entlang.
plötzlich stürzte ein anderer mensch aus einem hauseingang, so dass die beiden heftig gegeneinanderprallten.
der andere mensch war furchtbar wütend, schrie und schimpfte und beleidigte den menschen.
daraufhin verbeugte sich der mensch mit einem milden lächeln und sprach:
"ich weiß nicht, wer von uns an dem zusammenstoß die schuld trägt. ich bin aber auch nicht gewillt, meine kostbare zeit mit der beantwortung dieser frage zu vergeuden. deshalb: wenn ich die schuld trage, entschuldige ich mich hiermit und bitte sie für meine unachtsamkeit um verzeihung. falls sie der schuldige waren, können sie die sache einfach vergessen."
er verbeugte sich noch einmal und ging mit einem lächeln im gesicht seines weges.

anthony de mello: eine minute unsinn, herder, 1998 geschichte leicht überarbeitet

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was ist die ewige wahrheit

der jesuitenpater william johnston berichtet, dass er, als er sich in einem japanischen zen-kloster aufhielt, vom meister gefragt wurde, nach welcher methode er meditiere. johnston antwortete, dass er still, ohne worte, gedanken, bilder oder ideen, in der gegenwart gottes sitze. der meister fragte, ob sein gott überall sei, und als johnston bejahte, fragte der meister ihn, ob er "ganz in gott eingehüllt sei". johnston bejahte. "sehr gut, sehr gut", sagte der meister, "machen sie so weiter. mit der zeit werden sie feststellen, dass gott verschwindet und nur noch johnston übrigbleibt." johnston war von dieser bemerkung schockiert, weil sie ihm wie eine leugnung all dessen klang, was ihm heilig war. daher widersprach er dem meister und sagte: "gott wird nicht verschwinden. aber vielleicht johnston, und dann ist nur noch gott übrig." "ja, ja", erwiderte der meister lächelnd. "das ist das selbe. so meine ich es."

in: aldinger: "was ist die ewige wahrheit"

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verborgen

es war abend, und ich fühlte mich einsam. ich las ein buch, bis ich eine große dürre in meinem herzen empfand und es mir schien, als sei schönheit ein ding, das wortkrämer für den markt herstellten. müde schloß ich das buch und bließ die kerze aus. in einem augenblick war das zimmer von mondlicht überflutet.
...geist der schönheit, wie konntest du, dessen glanz der ganze himmel nicht zu fassen vermag, dich hinter einer kleinen kerzenflamme verbergen? wie konnten ein paar eitle worte aus einem buche wie ein nebel aufsteigen und sie verschleiern, deren stimme in das leidenschaftlich pochende herz der welt unaussprechlich süße ruhe gießt?

rabindranath tagore

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von der liebe

da sagte almira:
sprich zu uns von der liebe.
und er hob sein haupt, sah die menschen an
und eine stille fiel auf sie.
und mit starker stimme sagte er:
wenn dich die liebe ruft, so folge ihr,
auch wenn ihre wege schwer und steil sind.
Und wenn ihre flügel dich umfassen,
gib ihr nach, auch wenn das schwert
in ihrem gefieder versteckt
dich verwunden kann.
und wenn sie zu dir spricht, glaub ihr,
auch wenn ihre stimme deine träume zerstört,
wie der nordwind den garten verwüstet.

so wie die liebe dich krönt,
so kann sie dich auch kreuzigen.
so wie sie dein wachstum begünstigt,
so ist sie auch für dein beschneiden.
so wie die liebe emporsteigt in deine höhe
und deine zartesten äste liebkost,
die in der sonne zittern,
so wird sie hinabsteigen in deine wurzeln
und sie erschüttern,
während sie die erde festhalten.

wie getreidegarben
holt sie dich zu sich.
sie drischt dich,
um dich nackt zu machen.
sie siebt dich,
um dich von der spreu zu trennen.
sie mahlt dich bis du weiß bist.
sie knetet dich, bis du geschmeidig bist.
und dann übergibt sie dich dem heiligen feuer,
damit du heiliges brot
für gottes heiliges mahl wirst.

das alles tut dir die liebe,
damit du die geheimnisse
deines herzens kennen lernst,
und mit diesem wissen
zu einem teil des herzens des lebens wirst.

aber wenn du in deiner angst
nur nach dem frieden
und der lust der liebe suchst,
dann ist es besser
deine nacktheit zu bedecken
und den dreschboden zu verlassen,
um eine welt ohne jahreszeiten zu betreten,
wo du lachen wirst, aber nicht all dein lachen,
wo du weinen wirst, aber nicht all deine tränen.

die liebe gibt nichts, als sich selbst,
und nimmt nichts, außer von sich selbst.
die liebe besitzt nicht
und läßt sich nicht besitzen,
weil die liebe der liebe genügt.

wenn du liebst,
solltest du nicht sagen:
"gott ist in meinem herzen",
sondern:
"ich bin im herzen gottes."
und denke nicht,
dass du die liebe bestimmen kannst,
weil die liebe,
- wenn sie dich würdig schätzt -,
dich bestimmen wird.

die liebe hat keinen anderen wunsch,
als sich selbst zu erfüllen.
aber wenn du liebst und wünsche hast,
dann lass dies deine wünsche sein:
zu schmelzen
und wie ein fließender bach zu sein,
der seine melodie an die nacht singt;
den schmerz von zuviel zartheit zu kennen;
verwundet zu werden
von deinem eigenen verständnis der liebe;
freiwillig und freudig zu bluten.

im morgengrauen
mit beschwingtem herz aufzuwachen
und dankbar zu sein
für einen neuen tag des liebens;
mittags ausruhen
und über die verzückung der liebe nachzusinnen;
am abend mit dankbarkeit
nach hause zu kommen;
und dann zu schlafen,
mit einem gebet für den geliebten menschen
in deinem herzen
und mit einem loblied auf deinen lippen.

khalil gibran

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angelus silesius

1.
gott wohnt in einem licht,
zu dem die bahn gebricht.
wer es nicht selber wird,
der sieht ihn ewig nicht
2.
wenn ich in gott vergeh'
so komm ich wieder hin,
wo ich in ewigkeit
vor mir gewesen bin.
3.
du reisest vielerlei
zu sehn und auszuspähn.
hast du nicht gott erblickt,
so hast du nichts gesehn.
4.
o wesen dem nichts gleicht.
gott ist ganz außer mir,
und innen mir auch ganz,
ganz dort und auch ganz hier.
5.
die gottheit ist ein brunn',
aus ihr kommt alles her,
und läuft auch wieder hin.
drum ist sie auch ein meer.
6.
die ros' ist ohn' warum,
sie blühet, weil sie blüht.
sie acht' nicht ihrer selbst,
fragt nicht, ob man sie sieht.
7.
mensch, werde wesentlich;
denn wenn die welt vergeht,
so fällt der zufall weg.
das wesen, das besteht.
8.
die schrift ist schrift, sonst nichts.
mein trost ist wesenheit,
und das gott in mir spricht
das wort der ewigkeit.
9.
das überlichte licht
schaut man in diesem leben
nicht besser, als wenn man
ins dunkle sich begeben.
10.
der punkt der seligkeit
besteht in dem allein,
dass man muß wesentlich
aus gott geboren sein
11.
wie töricht tut der mensch,
der aus der pfütze trinkt
und die fontäne lässt,
die ihm im haus entspringt.
12.
wer hätte das vermeint:
aus finsternis kommt licht,
das leben aus dem tod,
das etwas aus dem nichts.
13.
das edelste gebet ist,
wenn der beter sich
in das, vor dem er kniet,
verwandelt inniglich.
14.
das liebste werk, das gott
so inniglich liegt an,
ist, das er seinen sohn
in dir gebären kann.
15.
wird christus tausendmal
zu bethlehem gebor'n
und nicht in dir, du bleibst
noch ewiglich verlor'n
16.
ich selbst bin ewigkeit,
wann ich die zeit verlasse
und mich in gott und gott
in mich zusammenfasse.
17.
zeit ist wie ewigkeit
und ewigkeit ist wie zeit,
so du nur selber nicht
machst ein unterschied.
18.
ach, zweifle nicht,
sei nur aus gott gebor'n,
so bist du ewiglich
zum leben auserkor'n
19.
freund, so du etwas bist,
so bleib doch ja nicht stehn.
man muß aus einem licht
fort in das andre gehn.
20.
das tröpflein wird das meer,
wenn es ins meer gekommen,
die seele gott, wenn sie
in gott ist aufgenommen.
21.
halt an, wo läufst du hin?
der himmel ist in dir.
suchst du gott anderswo,
du fehlst ihn für und für.
22.
der regen fällt nicht ihm,
die sonne scheint nicht ihr.
auch du bist anderen geschaffen
und nicht nur dir
23.
ach ja, wär ich im du
und du im ich ein ein,
so möchte ich tausendmal
der himmel himmel sein.
24.
die menschen plappern viel.
wer geistlich weiß zu beten,
der kann mit a und o
getrost vor gott hintreten.
25.
meinst du, o armer mensch,
das deines mund's geschrei
der rechte lobgesang
der stillen gottheit sei?
26.
willst du den neuen mensch'
und seinen namen kennen,
so frage gott zuvor,
wie er pflegt sich zu nennen.
27.
wer in dem nächsten nichts
als gott und christus sieht,
der siehet mit dem licht,
das aus der gottheit blüht.
28.
gleich wie die einheit ist
in einer jeden zahl,
so ist auch gott, der ein',
in dingen überall.
29.
gott ist von anbeginn
der bildner aller dinge
und auch ihr muster selbst;
drum ist ja kein's geringe.
30.
mensch, nichts ist unvollkomm'n.
der kies gleich dem rubin.
der frosch ist ja so schön
wie engel seraphim.
31.
wer seine sinne hat
ins innere gebracht,
der hört, was man nicht red't,
und siehet in der nacht.
32.
eh' als ich noch war,
da war gott in gott;
drum kann ich's wieder sein,
wenn ich nur mir bin tot.
33.
wer mir vollkommenheit,
wie gott hat, ab will sprechen,
der müsste mich zuvor
von seinem weinstock brechen.
34.
ein wahrer armer mensch
steht ganz auf nichts gericht't.
gibt gott ihm gleich sich selbst,
ich weiß, er nimmt ihn nicht.
35.
im eins ist alles eins;
kehrt zwei zurück hinein,
so ist es wesentlich
mit ihm ein ein'ges ein.
36.
gott sind die werke gleich:
der heil'ge, wann er trinkt,
gefallet ihm sowohl,
als wenn er bet't und singt
37.
gott tut im heil'gen selbst
all's, was der heil'ge tut,
gott geht, steht, liegt, schläft, wacht,
ißt, trinkt, hat guten mut.
38.
man kann den höchsten gott
mit allen namen nennen;
man kann ihm wiederum
nicht einen zuerkennen.
39.
hier fließ' ich noch
in gott als bach der zeit.
dort bin ich selbst das meer
der ew'gen seligkeit.
40.
du sprichst, du wirst
gott sehen und sein licht
o narr, du siehst ihn nie,
siehst du ihn heute nicht.
41.
nicht gott gibt's himmelreich,
du selbst mußt's zu dir ziehn.
und dich mit ganzer macht
und eifer drum bemüh'n.
42.
ich bin so reich als gott,
es kann kein stäublein sein,
das ich - mensch glaub mir! -
mit ihm nicht hab gemein.
43.
bist du in gott gebor'n,
so blühet gott in dir,
und seine gottheit ist
dein saft und deine zier.
44.
gott ist so viel an mir,
als mir an ihm gelegen;
sein wesen helf' ich ihm,
wie er das meine hegen.
45.
wer gott um gaben bitt',
der ist gar übel dran.
er betet das geschöpf
und nicht den schöpfer an.
46.
erkenne selber dich.
wer sich erkennen kann,
trifft inner sich oft mehr
als einen menschen an.
47.
wer die natur der ding'
und sachen will ergründen,
kennt alle, kann er recht
die tür zu einem finden.
48.
gott ist ein lauter nichts,
ihn rührt kein nun noch hier,
je mehr du nach ihm greifst,
je mehr entwird er dir.
49.
ich sterb' und leb' auch nicht.
gott selber stirbt in mir.
und was ich leben soll,
lebt er auch für und für.
50.
gott selber, wenn er dir
will leben, muß sterben.
wie denkst du ohne tod
sein leben zu erwerben?
51.
ich bin nicht außer gott
und gott nicht außer mir
ich bin sein glanz und licht,
und er ist meine zier.
52.
ich selbst muß sonne sein,
ich muß mit meinen strahlen
das farbenlose meer
der ganzen gottheit malen.
53.
wer selbst nicht alles ist,
der ist noch zu
daß er dich sehen soll,
mein gott, und alle ding.
54.
gott ist mir gott und mensch
ich bin ihm mensch und gott:
ich lösche seinen durst,
und er hilft mir aus not.
55.
gott liebt und lobt sich selbst,
soviel er immer kann:
er kniet und neiget sich,
er be't sich selber an.
56.
weil ich das wahre licht,
so wie es ist, soll sehn,
so muß ich's selber sein,
sonst kann es nicht geschehn.
57.
wenn du vergottet bist,
so ißt und trinkst du gott
und dies ist ewig wahr
in jedem bissen brot.
58.
die seel' ist ein kristall,
die gottheit ist ihr schein
der leib, in dem du lebst
ist ihrer beider schrein.
59.
gott hat nicht unterschied
es ist ihm alles ein:
er machet sich soviel der flieg,
als dir gemein.
60.
soll ich mein letztes end
und ersten anfang finden,
so muß ich mich in gott
und gott in mir ergründen.
61.
daß gott so selig ist
und lebet ohn' verlangen
hat er sowohl von mir
als ich von ihm empfang.
62.
ich bin so groß wie gott,
er ist wie ich so klein;
er kann nicht über mir
ich unter ihm nicht sein.
63.
mensch, wo du noch was bist,
was weißt, was liebst und haßt
so bist du, glaube mir,
nicht ledig deiner last.
64.
gott gründ't sich ohne grund
und mißt sich ohne maß:
bist du ein geist mit ihm,
mensch, so verstehst du das.
65.
wer nichts begehrt, nichts hat,
nichts weiß, ‚nichts liebt, nichts will,
der hat, der weiß, begehrt
und liebt noch immer viel.
66.
du darfst zu gott nicht schrei'n,
der brunnquell ist in dir.
stopfst du den ausguß nicht,
er flösse für und für.
67.
mensch, suchst du gott um ruh',
so ist dir noch nicht recht.
du suchest dich, nicht ihn -
bist noch nicht kind, nur knecht.
68.
das kreuz zu golgotha
kann dich nicht von dem bösen,
- wo es nicht auch in dir
wird aufgericht', - erlösen.
69.
gott ist ein ein'ges ein.
wer seiner will genießen,
muß sich nicht weniger als er
in ihn einschließen.
70.
so du das ew'ge wort
in dir willst hören sprechen:
so mußt du dich zuvor
vom hören ganz entbrechen.
71.
mensch, so du gott noch pflegst
für dies und das zu danken,
bist du noch nicht versetzt
aus deiner schwachheit schranken.
72.
wer ist, als wär' er nicht
und wär er nie geworden:
der ist - o seligkeit! -
zu lauter gott geworden.
73.
sofern mein will' ist tot,
so muß gott, was ich will.
ich schreib' ihm selber vor
das muster und das ziel.
74.
die rose, welche hier
dein äußeres auge sieht,
die hat in ewigkeit
in gott auch so geblüht.
75.
die zarte gottheit ist
ein nichts und übernichts.
wer nichts in allem sieht,
- mensch glaube, - dieser sieht's.
76.
mensch, wenn du noch nach gott
begehr' hast und verlangen,
so bist du noch von ihm
nicht ganz und gar umfangen.
77.
das wort, das dich und mich
und alle dinge trägt,
wird wiederum von mir
getragen und gehegt.
78.
man redet von zeit und ort,
von nun und ewigkeit.
was ist dann zeit und ort
und nun und ewigkeit?
79.
gott ist das, was er ist;
ich, was ich durch ihn bin
doch kennst du einen wohl,
so kennst du mich und ihn.
80.
gott ist mein geist, mein blut,
mein fleisch und mein gebein;
wie soll ich dann mit ihm
nicht ganz durchgottet sein?
81.
fragst du, was gott mehr liebt:
ihm wirken oder ruh'n?
ich sage, daß der mensch
wie gott soll beides tun.
82.
gott ist so überall,
daß man nichts sprechen kann;
drum betest du ihn auch
mit schweigen besser an.
83.
ich bin gott's kind und sohn;
er wieder ist mein kind.
wie gehet es doch zu,
daß beide beides sein?
84.
nichts weset ohne stimm'.
gott höret überall,
in allen kreaturen
sein lob und widerhall.
85.
die kreaturen sind
des ew'gen wortes stimme.
es singt und klingt sich selbst,
in anmut und im grimme.
86.
liebst du noch was an gott,
so sprichst du gleich dabei,
daß gott dir noch nicht gott
und alle dinge sei.
87.
was cherubim erkennt,
das mag mir nicht genügen.
ich will noch über ihn,
wo nichts erkannt wird, fliegen.
88.
in gott wird nichts erkannt:
er ist ein einig-ein.
was man in ihm erkennt,
das muß man selber sein.
89.
mensch, wenn dich weder lieb
berührt noch leid verletzt,
so bist du ganz in gott
und gott in dich versetzt.
90.
wie selig ist der mensch.
der weder will noch weiß,
der gott - (versteh' mich recht!)
nicht gibet lob noch preis.
91.
ich sterb' und lebe gott:
will ich ihm ewig leben,
so muß ich ewig auch
vor ihm den geist aufgeben.
92.
wer unbeweglich bleibt
in freud', in leid, in pein,
der kann nunmehr nicht weit
von gottes gleichheit sein.
93.
gott ist nicht hier noch da:
wer ihn begehrt zu finden,
der laß sich händ' und füß'
und leib und seele binden.
94.
geh hin, wo du nicht kannst!
sieh! wo du siehest nicht!
hör, wo nichts schallt und klingt:
so bist du, wo gott spricht.
95.
die ewge gottheit ist
so reich an rat und tat,
daß sie sich selbst noch nie
ganz ausgeforschet hat.
96.
der, was er hat, nicht hat
und, alles schätzet gleich,
der ist im reichtum arm,
in armut ist er reich.
97.
nicht du bist, der da lebt,
denn das geschöpf ist tot!
das leben, das in dir
dich leben macht, ist gott.
98.
was gott ist, weiß man nicht!
er ist nicht licht, nicht geist
nicht wonnigkeit, nicht eins,
nicht was man gottheit heißt.
99.
nicht weisheit, nicht verstand,
nicht liebe, wille, güte,
kein ding, kein unding auch,
kein wesen, kein gemüte.
100.
er ist, was ich und du
und keine kreatur,
eh wir geworden sind,
was er ist, nie erfuhr.

angelus silesius

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befreiung von unwissenheit und leid

...manchmal höre ich voller hoffnung und angst zu; ich suche das licht einer anderen, aber verfüge nicht über die aufmerksame passivität, die notwendig ist, um zu verstehen.
wenn diese andere, befreite, meine wünsche zu erfüllen scheint, akzeptiere ich sie, wenn nicht, setze ich meine suche nach derjenigen fort, die es tut.
oft geht es mir vor allem um befriedigung und erfüllung auf verschiedenen ebenen.
die eigentliche frage ist nicht, wie ich eine befreite erkenne, sondern wie ich mich selbst erkenne und verstehe.
keine autorität der welt kann mir kenntnisse über mich selbst vermitteln. und ohne selbsterkenntnis gibt es keine befreiung von unwissenheit und leid. gibt es keine freiheit, keine liebe, keine wahrheit, kein leben, kein alles, kein nichts, kein gott, keine handlung, kein ich bin der der ich bin, kein sein.

ein mensch

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angst blockiert den schöpferischen unternehmungsgeist

wir haben uns mit dem problem der angst beschäftigt. wir haben gesehen, dass die meisten von uns angst haben und dass angst die fähigkeit blockiert, aus eigenem empfinden zu handeln, weil sie uns dazu bringt, uns an menschen und dingen festzuklammern wie eine kletterpflanze an einen baum. wir klammern uns an unsere eltern, unsere ehemänner, unsere söhne, unsere töchter, unsere ehefrauen und unseren besitz. das ist die äußere form der angst. da wir die angst in uns spüren, fürchten wir uns, allein dazustehen. vielleicht besitzen wir viele schöne kleider, eine menge schmuck oder andere dinge, aber innerlich, seelisch, sind wir sehr arm. und je ärmer wir innerlich sind, desto mehr versuchen wir uns äußerlich zu bereichern, indem wir uns an menschen, titel oder besitz klammern

wenn wir angst haben, klammern wir uns nicht nur an äußere dinge, sondern auch an ideelle, wie beispielsweise traditionen. für die meisten älteren leute und für menschen, die sich unzulänglich und leer fühlen, hat tradition eine große bedeutung. habt ihr das schon einmal bei euren freunden, eltern oder lehrern festgestellt? habt ihr es bei euch selbst bemerkt? in dem augenblick wo angst da ist, innere angst, versucht ihr sie mit dem mantel der ehrbarkeit zuzudecken, indem ihr einer tradition folgt. und so verliert ihr den schöpferischen unternehmungsgeist. da ihr keine fähigkeit mehr besitzt, aus eigenem empfinden neues zu schaffen und nur anderen folgt, wird die tradition zu etwas sehr wichtigem - die tradition dessen, was die leute sagen, die tradition, die aus der vergangenheit überliefert wurde, die tradition, die keine lebendigkeit und freude am leben in sich trägt, da sie lediglich eine sinnentleerte wie- derholung ist.

wenn man angst hat, neigt man zur nachahmung. habt ihr das schon einmal bemerkt? menschen die angst haben, imitieren andere, sie kleben an der tradition, an ihren eltern, ihren frauen, ihren brüdern, ihren männern. und nachahmung zerstört die fähigkeit zu schöpferischem tun aus eigenem empfinden. wenn ihr einen baum zeichnet oder malt, bildet ihr ihn nicht nach, ihr kopiert ihn nicht exakt, wie er ist, das wäre bloße fotografie. um einen baum oder eine blume oder einen sonnenuntergang ganz frei malen zu können, muss man wahrnehmen, was er einem sagt, man muss seine bedeutung erfassen. das ist sehr wichtig: zu versuchen, die bedeutung dessen, was man sieht, wiederzugeben und es nicht einfach zu kopieren, denn dann setzt man den kreativen prozess in gang. und dazu braucht man einen freien geist, einen geist, der unbelastet von tradition und nachahmung ist. aber schaut euch euer eigenes leben und das leben der menschen in eurer umgebung an - wie traditionsgebunden es ist, wie sehr es auf nachahmung beruht.

in manchen dingen seid ihr zur nachahmung gezwungen, beispielsweise in der art, wie ihr euch kleidet, bei der auswahl eurer lektüre oder im hinblick auf eure muttersprache. das sind alles formen der imitation. aber es ist notwendig, über diese ebene hinauszugehen und innerlich so frei zu werden, dass man die dinge selbst untersucht und nicht gedankenlos akzeptiert, was jemand anders sagt. es spielt keine rolle, wer es ist - ein lehrer in der schule, ein elternteil oder einer der großen religiösen lehrer. es ist sehr wichtig, sich seine eigenen gedanken zu machen und nicht einfach jemandem zu folgen, weil bloße gefolgschaft ein zeichen für angst ist, nicht wahr?

in dem moment, in dem euch jemand etwas anbietet, das ihr euch wünscht - das paradies, den himmel oder einen besseren job, - steigt die angst hoch, es nicht zu bekommen. deshalb fangt ihr an, zu akzeptieren, euch zu verbiegen. solange ihr etwas wollt, muss zwangsläufig angst da sein, und angst verkrüppelt den geist, sie hindert euch daran, frei zu sein.

wisst ihr, was ein freier geist ist? habt ihr jemals euren eigenen geist beobachtet? er ist nicht frei nicht wahr? ihr achtet ständig drauf, was eure freunde über euch sagen. euer geist ist wie ein haus, das von einem zaun oder von stacheldraht‚ umgeben ist. in diesem zustand kann nichts neues geschehen. etwas neues kann nur geschehen, wenn keine angst da ist. und es ist extrem schwierig für den geist, frei von angst, das heißt wirklich vollkommen frei von dem wunsch zu sein, andere zu imitieren und ihnen zu folgen, frei von dem wunsch, ein vermögen anzuhäufen oder sich einer tradition gemäß zu verhalten - was nicht bedeutet, dass man etwas unverschämtes oder abscheuliches tut.

freiheit des geistes ist nur möglich, wenn keine angst da ist, wenn der geist nicht prahlen will und sich nicht für status oder prestige verbiegt. dann hat er kein interesse an nachahmung. und es ist wichtig, einen solchen geist zu haben - einen, der wirklich frei von tradition ist, denn sie ist der mechanismus, der die geistlichen muster prägt.

wahrscheinlich ist das alles zu schwierig? ich glaube nicht, das es so schwierig ist, wie eure geografie oder mathematik. es ist viel einfacher, ihr habt nur noch nie darüber nachgedacht. ihr verbringt vielleicht 10 oder 15 jahre eures lebens in der schule und erwerbt wissen, doch ihr nehmt euch nie die zeit - keine woche, nicht einmal einen tag, - um gründlich über eine dieser fragen nachzudenken. deshalb erscheint euch all das so schwierig, aber es ist in wirklichkeit überhaupt nicht schwierig. im gegenteil, wenn ihr euch zeit dafür nehmt, könnt ihr selbst sehen, wie euer geist funktioniert, wie er reagiert. und es ist sehr wichtig, dass ihr euren geist verstehen lernt, solange ihr jung seid, sonst wachst ihr heran und folgt einer tradition, die völlig bedeutungslos ist. ihr werdet zu nachahmern und das bedeutet nichts anderes, als die angst zu nähren. dann werdet ihr niemals frei sein.

habt ihr schon einmal bemerkt, wie traditionsgebunden ihr z.b. hier in indien seid? ihr müsst auf eine bestimmte weise heiraten, eure eltern suchen euren ehepartner aus. ihr müsst euch an bestimmte rituale halten. sie sind vielleicht völlig bedeutungslos, aber ihr müsst euch daran halten. ihr habt führerfiguren denen ihr folgen müsst. alles um euch herum spiegelt - vielleicht habt ihr das einmal beobachtet - eine lebensweise wider, in der autorität einen festen platz hat. da ist die autorität des gurus, die autorität der politischen gruppe, die autorität der eltern und die autorität der öffentlichen meinung. je älter die zivilisation, desto größer das gewicht der tradition mit ihren vielfältigen vorgaben zur nachahmung. solange dieses gewicht auf eurem geist lastet, kann er niemals frei sein. ihr könnt über politische oder irgendeine andere form der freiheit reden, aber als individuum seid ihr nie wirklich frei, um selbst die wahrheit herauszufinden. ihr folgt immer; einem ideal, einem guru oder lehrer oder irgendeinem absurden aberglauben.

und so ist euer ganzes leben eingeschränkt, begrenzt, auf bestimmte vorstellungen reduziert, und tief in eurem innern ist angst. wie könnt ihr frei denken, wenn angst da ist? deshalb ist es so wichtig, sich all dieser dinge bewusst zu sein. wenn ihr eine schlange seht und wisst, dass sie giftig ist, macht ihr, dass ihr wegkommt, ihr geht nicht näher heran. aber ihr wisst nicht, dass ihr in einem netz von nachahmungen gefangen seid, die den unternehmungsgeist blockieren. ihr seid unbewusst darin gefangen. aber wenn ihr anfangt, euch dieser imitationen bewusst zu werden, und erkennt, wie sie euch im griff haben, wenn euch klar wird, dass ihr nachahmen wollt, weil ihr angst davor habt, was die leute sagen könnten, weil ihr angst vor euren führern den lehrern habt, dann könnt ihr euch diese imitationen, die euch gefangen halten, anschauen, ihr könnt sie untersuchen, könnt sie studieren, so wie ihr mathematik oder irgendein anderes fach studiert. ist euch beispielsweise bewusst, warum ihr frauen anders behandelt als männer? warum behandelt ihr frauen geringschätzig? das tun zumindest viele männer. warum geht ihr in einen tempel und führt bestimmte rituale aus? warum folgt ihr einem guru?

ihr müßt euch zuerst einmal all dieser dinge bewusst sein; dann könnt ihr sie unter die lupe nehmen, könnt sie in frage stellen, könnt sie durchleuchten. aber wenn ihr blind alles akzeptiert, weil es in den vergangenen 3000 jahren so war, dann ist es bedeutungslos, nicht wahr? was wir in dieser welt auf keinen fall brauchen, sind noch mehr nachahmer, noch mehr führer und gefolgsleute. wir brauchen heute individuen wie du und ich, die anfangen, all diese probleme zu untersuchen und zwar nicht oberflächlich oder beiläufig, sondern immer gründlicher, damit der geist frei wird, um kreativ zu sein, frei, zu denken, zu lieben

bildung ist ein weg, auf dem wir unsere wahre beziehung zu den dingen, zu anderen menschen und zur natur entdecken. aber der geist erzeugt vorstellungen und diese vorstellungen werden so stark, so dominant, dass sie uns daran hindern, darüber hinaus zu blicken. solange angst da ist, folgt man der tradition; solange angst da ist, imitiert man. ein geist, der nur imitiert, ist mechanisch, nicht wahr? er funktioniert wie eine maschine; er ist nicht kreativ, er untersucht probleme nicht von allen seiten - er initiiert vielleicht bestimmte handlungen, erzielt bestimmte ergebnisse, aber er ist nicht kreativ.

wir alle ihr und ich, aber auch die lehrer, die schulleitung und die behörden - sollten also gemeinsam diese probleme untersuchen damit ihr, wenn ihr diesen ort verlasst, reife individuen seid, die selbstständig denken können und nicht von traditionellen torheiten abhängig sind. dann besitzt ihr die würde eines wahrhaft freien menschen. das ist der eigentliche sinn und zweck der bildung - nicht nur die vorbereitung auf bestimmte prüfungen, und für den rest des lebens in etwas hineingezwängt zu werden, das man nicht wirklich von herzen tut - beispielsweise rechtsanwalt zu werden oder beamter oder hausfrau oder eine gebärmaschine. ihr solltet darauf bestehen, eine art von ausbildung zu erhalten, die euch dazu ermutigt, frei und ohne angst‚ zu denken, eine, die euch hilft die dinge zu untersuchen und zu verstehen. das solltet ihr von euren lehrern fordern. sonst ist das leben reine verschwendung, oder nicht? ihr seid "gebildet", habt ein staatsexamen oder eitlen doktorgrad, bekommt einen job, der euch keine freude macht, aber ihr müsst geld verdienen; ihr seid verheiratet und habt kinder - und in diesem leben steckt ihr für den rest eures lebens fest. ihr leidet, seid unglücklich, streitsüchtig. ihr habt nichts, worauf ihr euch freuen könnt, außer auf neue babys, mehr hunger, mehr elend. nennt ihr das den sinn von erziehung und bildung? diese sollten euch doch wohl helfen, eure intelligenz auf eine weise zu entwickeln, dass ihr tut, was ihr gerne tun möchtet, und nicht bei etwas hängen bleibt, das euch für den rest eures lebens unglücklich macht.

ihr müsst also in eurer jugend die flamme der unzufriedenheit in eurem innern wecken; ihr solltet auf radikale veränderung ausgerichtet sein. das ist die zeit, um fragen zu stellen, entdeckungen zu machen, zu wachsen. besteht also darauf, dass euch eure eltern und lehrer antworten. gebt euch nicht damit zufrieden, in einem klassenzimmer zu sitzen und informationen über diesen könig oder jenen krieg in euch aufzunehmen. seid unzufrieden. geht zu euren lehrern und stellt fragen, forscht. wenn sie nicht intelligent sind, werden eure fragen und euer forschen ihnen helfen, zur intelligenz zu finden; und wenn ihr dann die schule verlasst, werdet ihr euch zu geistiger reife entwickeln und wirklicher innerer freiheit. dann werdet ihr euer leben lang weiter lernen, bis ihr sterbt, und ihr werdet glückliche, intelligente menschen sein.

junger mensch: wie kann uns angstfreiheit zur gewohnheit werden?
äterer mensch: schau, welche worte du benutzt hast. "gewohnheit" weist auf eine bewegung hin, die sich immer wieder wiederholt, kann dabei irgendetwas anderes als monotonie entstehen, wenn du eine sache unaufhörlich wiederholst? ist angstfreiheit eine gewohnheit? angstfreiheit ist nur dann möglich, wenn du den ereignissen des lebens begegnen und ihnen auf den grund gehen kannst, wenn du sie sehen und untersuchen kannst - aber nicht mit einem trägen geist, der in gewohnheiten gefangen ist.
wenn du die dinge gewohnheitsmäßig tust, wenn du in gewohnheiten lebst, bist du nichts anderes als ein nachahmender roboter. gewohnheit ist wiederholung, man macht gedankenlos immer wieder dasselbe und errichtet dadurch eine mauer um sich herum. wenn du durch irgendeine gewohnheit eine mauer um dich herum gebaut hast, bist du nicht frei von angst, und gerade dieses leben innerhalb der mauer macht dir angst. wenn du die intelligenz besitzt, alles, was in deinem leben geschieht, anzuschauen, das heißt, jedes problem, jedes ereignis, jeden gedanken und jede emotion, jede reaktion zu untersuchen - dann, und nur dann, kannst du frei von angst sein.

krishnamurti jiddu

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raum

der raum, den der gedanke um sich erzeugt, ist ohne liebe. dieser raum trennt den menschen vom menschen, und das ganze werden, der lebenskampf, die pein und die furcht sind darin eingeschlossen. meditation ist die aufhebung dieses raumes, das aufhören des ich. dann gewinnen alle beziehungen eine ganz andere bedeutung, denn in dem raum, der nicht durch das denken erzeugt ist, gibt es nicht das andere - das werden -, weil "du" nicht mehr existierst. meditation ist dann nicht mehr das trachten nach einer vision, wie geheiligt sie auch durch die tradition sein mag. sie ist vielmehr der endlose raum, in den das denken nicht eindringen kann.

für uns ist der kleine raum, den das denken um sich geschaffen hat, der das ich ist, äußerst wichtig, denn der mensch, der sich mit allem identifiziert, was in diesem raum vorhanden ist, kennt nichts anderes, und in diesem raum wird auch die furcht geboren, nicht zu sein. wenn der mensch das verstanden hat, kann er in der meditation eine raumdimension betreten, wo handeln nicht-handeln ist.

wir wissen nicht, was liebe ist, denn in dem raum, den das denken um sich als ich geschaffen hat, ist liebe der konflikt zwischen dem ich und dem nicht-ich. dieser konflikt, diese qual ist keine liebe. das denken kann nicht in jenen raum eindringen, in dem es kein ich gibt. in diesem raum liegt glückseligkeit, die der mensch sucht und nicht finden kann. er sucht sie innerhalb der grenzen des denkens, doch das denken zerstört nur diese seligkeit. vollkommen geöffnet zu sein, preisgegeben zu sein - den hügeln, dem meer, dem menschen - ist das wesen der meditation.

krishnamurti jiddu

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der neue freund

rrrrr, läutet es zur großen pause; im nu ist der schulhof voller kinder. um ludwig und peter steht schnell eine neugierige gruppe herum. es ist immer so lustig, wenn die beiden sich streiten. und da geht es auch schon wieder los. "hör mir bloß mit deinem blöden gott auf", spottet ludwig, "ich sage dir, den gibt es überhaupt nicht. mein vater weiß das ganz genau."

"so? woher denn? war er vielleicht schon überall im himmel und hat nichts gefunden?" "du idiot, ihr habt ja keine ahnung. ich verstehe nicht, warum gott so etwas wie dich gemacht hat." "da kann ich dich beruhigen. hat er gar nicht, weil es ihn nämlich nicht gibt! er ist bloß eine einbildung von solchen schwachköpfen wie du einer bist." "jetzt reichts mir aber. mit dir kann man ja nicht reden. komm her, dann zeig ich dir, wer stärker ist." "das kannst du haben." und sie stürzen mit den fäusten aufeinander los.

manche mädchen gehen weg; sie können diese prügelei nicht mit ansehen. denn auf einmal ist es kein spaß mehr, kein normales geraufe zwischen buben. alle spüren: die beiden meinen es ernst; bitter und böse starrt einer den anderen an. könnte die lehrerin es miterleben, dann bekäme sie einen schreck; bilder aus früheren zeiten fielen ihr ein: wie auf dem blumenmarkt in rom ein mann sich in den flammen windet und endlich im rauch erstickt; eine menge priester stehen herum und gehen dann zufrieden nach hause: denn dieser bruno ist gegen gott gewesen, recht geschieht es ihm. das war im februar des jahres 1600. oder die lehrerin würde daran denken, wie so mancher gläubige gegen die wand gestellt und erschossen wurde, bloß weil er für gott war, und so etwas gehört ausgerottet. das war in den monaten der russischen revolution von 1917. den gleichen haß wie damals, natürlich in kindlicher form, könnte die lehrerin in den blicken der buben entdecken, aber sie sieht nicht her.

da passiert eine überraschung. einer aus dem kreis der neugierigen kann den streit nicht länger aushalten, ausgerechnet der neue, er heißt friedrich weiß und ist erst seit ein paar tagen in der klasse. er geht in die mitte, packt die kampfhähne und sagt: "hört auf, ihr spinnt ja alle beide. weil ihr nämlich beide recht habt." "was?" schreien die beiden anderen. "jawohl. und es ist ganz egal, wie jemand über gott denkt. also vertragt euch." peter und ludwig gucken sich an, dann fängt erst der eine, dann auch der andere zu grinsen an. "ei, ist der fritz aber gescheit," höhnt ludwig. und peter sagt: "also gut, hören wir vorläufig auf, und bestrafen zuerst das großmaul da. es ist egal, wie man über gott denkt? so ein quatsch!" "ja, das ist wirklich der allergrößte blödsinn", stimmt ludwig ihm zu, "also los!" und mit vereinten kräften fallen beide über friedrich her. die kinder ringsherum fangen zu lachen an. warum muß dieser komische fritz sich auch einmischen? der hat sich inzwischen von der ersten überraschung erholt. "haut ab, ihr schufte" schreit er wütend und boxt einen der angreifer auf die nase. aber sie sind ihm über, gegen beide zusammen kommt er nicht an. "ihr gemeinen kerle", ruft der neue. "schämt ihr euch gar nicht, zwei gegen einen!" aber das hilft ihm nichts. im gegenteil, einer schlägt ihm sogar in den magen.

da hält jocki es nicht mehr aus. sicher, ihm kommt der neue auch komisch vor. aber so gemein darf man doch nicht sein. er springt hin und stößt den feigen magenboxer auf die seite. zwei gegen zwei, das ist etwas anderes. eine solche rauferei macht spaß. doch wie es gerade richtig losgehen soll, läutet leider die glocke. die pause ist vorbei.

während alle kinder in ihre zimmer zurückgehen, sagt friedrich: "danke, jocki, daß du mir geholfen hast." "ist doch klar", antwortet jocki, "zwei gegen einen ist gemein." friedrich denkt eine zeitlang nach und schlägt dann vor: "weißt du was, jocki, komm doch heute nach der schule mit mir in unser haus. ich lade dich ein. magst du nicht auch meine eltern kennen lernen?" "das schon. aber ich muß in den hort." "ach was, wir rufen einfach deinen vater an und fragen ihn." "ja, das geht."

wie jocki wieder in seiner bank sitzt, hört er gar nicht recht zu, was die lehrerin alles erzählt. die maikäfer sollen leben wie sie wollen, denkt er, mir ist das egal. aber wie kommt es, daß ich so lustig bin auf einmal? warum freue ich mich eigentlich? im nächsten moment weiß er es. es ist ihm gerade so, als hätte er einen kopfsprung ins frische wasser gemacht, und das wasser heißt: glück. ein richtiger freund! den hatte er sich so sehr gewünscht. dieser neue mit dem ulkigen namen friedrich - könnte der vielleicht sein freund werden?

jocki erinnert sich, wie es neulich gewesen ist. mitten in der stunde hat der rektor ihn gebracht. "frau kreidebeiß", hat er gesagt, "ich übergebe ihnen da einen neuen schüler. die familie ist erst gestern in unsere stadt gezogen. nun, friedrich, ich glaube, es wird dir in dieser klasse gefallen." wie der rektor wieder gegangen war, hat die lehrerin den neuen nach seinem namen gefragt. "friedrich weiß." "also fritz, setz dich bitte auf den leeren platz dort drüben." "ja, gern, aber ich heiße nicht fritz, sondern friedrich." darauf hat die ganze klasse natürlich laut gelacht. und die meisten haben ihn seither erst recht fritz genannt. das hat den neuen aufgeregt und so ist es oft zum streit gekommen. dem armen fritz ist es schlecht gegangen, am schlimmsten eben gerade in der pause. aber jetzt ist das ja vorbei. jetzt sind ich und fritz, nein, ich und friedrich freunde geworden und ich will - "jocki, du träumst schon wieder. was haben wir eben gelernt?" wie soll jocki wissen, was die maikäfer gerade treiben? er hat wichtigeres zu bedenken. also sitzt er nur da und sagt kein wort. trotzdem geht die welt nicht unter, nicht einmal das schulhaus stürzt ein, und sogar frau kreidebeiß bleibt am leben und gesund. andere kinder haben aufgepaßt und melden sich eifrig; weiter geht der unterricht, viele lästige minuten lang.

endlich aber ist er doch zu ende. unsere beiden freunde rennen die treppe hinunter und sehen, wie vor ihnen ein paar große schon auf dem weg zum telefonhäuschen sind. schnell spurten sie an denen vorbei, müssen aber dann doch warten, weil eine ältere dame ein langes gespräch führt. draußen angebunden ist eine art hund. "guten tag, mein herr", sagt jocki in der hundesprache zu ihm. das pudelchen bellt zurück. "mal sehen, ob er auch englisch kann", meint friedrich und sagt höflich: "miau, miau." das ärgert den kleinen, offenbar hat er noch kein europäisches bewußtsein. wütend kläfft er los, so daß die dame ihr wichtiges gespräch vorzeitig abbricht und gleich aus dem häuschen ist. drinnen hört man ihr geschimpfe kaum mehr. jocki wählt die büronummer seines vaters und erklärt ihm seinen wunsch; der vater erlaubt ihn gern. (er ist schon lange traurig, daß jocki keinen freund hat; davon weiß jocki aber nichts). jetzt noch schnell im hort bescheid gesagt, und schon sind die beiden unterwegs zum haus der familie weiß.

von jürgen kuhlmann

diese gottesgeschichte geht weiter..., unter:

www.stereo-denken.de/jocki1.htm

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warum bist du nicht sussja geworden?

rabbi sussja von anipoli pflegte auf seinen wanderungen von ort zu ort den menschen zu sagen: ich fürchte mich nicht davor, keine antwort zu finden, wenn ich nach meinem tod vom allmächtigen gefragt werde:
sussja, warum warst du deinem volk nicht ein so großer führer wie mose, oder ein so feuriger prophet wie elija oder ein so berühmter schriftgelehrter wie rabbi akiba?

aber ich fürchte, dass meine worte verstummen, wenn ich gefragt werde:
sussja, warum bist du nicht sussja geworden? warum hast du dich entfernt von dem bild, nach dem ich dich geschaffen habe? warum bist du mit deinen anlagen und mit deinen gaben dir so fremd, so unähnlich geworden?

aus den erzählungen der chassidim (s. 394)

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mit gott zu mittag gegessen...

es war einmal ein kleiner junge, der unbedingt gott treffen wollte. er war sich darüber bewusst, dass der weg zu dem ort, an dem gott lebte, ein sehr langer war. also packte er sich einen rucksack voll mit einigen coladosen und mehreren schokoladenriegeln und machte sich auf die reise. er lief eine ganze weile und kam in einen kleinen park. dort sah er eine alte frau, die auf einer bank saß und den tauben zuschaute, die vor ihr nach futter auf dem boden suchten. der kleine junge setzte sich zu der frau auf die bank und öffnete seinen rucksack. er wollte sich gerade eine cola herausholen, als er den hungrigen blick der alten frau sah. also griff er zu einem schokoriegel und reichte ihn der frau. dankbar nahm sie die süßigkeit und lächelte ihn an. und es war ein wundervolles lächeln! der kleine junge wollte dieses lächeln noch einmal sehen und bot ihr auch eine cola an. und sie nahm die cola und lächelte wieder - noch strahlender als zuvor. der kleine junge war selig. die beiden saßen den ganzen nachmittag lang auf der bank im park, aßen schokoriegel und tranken cola - aber sprachen kein wort. als es dunkel wurde, spürte der junge, wie müde er war und er beschloss, zurück nach hause zu gehen. nach einigen schritten hielt er inne und drehte sich um. er ging zurück zu der frau und umarmte sie. die alte frau schenkte ihm dafür ihr allerschönstes lächeln. zu hause sah seine mutter die freude auf seinem gesicht und fragte: "was hast du denn heute schönes gemacht, dass du so fröhlich aussiehst?" und der kleine junge antwortete: "ich habe mit gott zu mittag gegessen - und sie hat ein wundervolles lächeln!" auch die alte frau war nach hause gegangen, wo ihr sohn schon auf sie wartete. auch er fragte sie, warum sie so fröhlich aussah. und sie antwortete: "ich habe mit gott zu mittag gegessen - und er ist viel jünger, als ich gedacht habe."

verfasser unbekannt, aus dem englischen übersetzt

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wähle immer wieder gott

du stehst ständig vor einer entscheidung. die frage ist:
entscheidest du dich für gott oder für dein eigenes zweifelndes selbst?
du kennst die richtige entscheidung, doch deine emotionen, leidenschaften und gefühle bedrängen dich immer wieder, den weg der selbstverneinung zu wählen.

die grundentscheidung ist: jederzeit darauf zu vertrauen, dass gott mit dir ist und dir geben wird, was du am nötigsten brauchst. deine emotionen der selbstverneinung sagen vielleicht: "es geht nicht. ich leide noch immer an derselben unsicherheit und angst wie vor sechs monaten. ich werde wohl in die alten depressiven muster des agierens und reagierens zurückfallen, ich habe mich nicht wirklich verändert", und so weiter und so fort. es fällt schwer, diese stimmen nicht zu beachten. du weißt aber, dass es nicht die stimme gottes ist. gott sagt dir: "ich liebe dich und bin bei dir. ich möchte sehen, wie du mir näher kommst und die freude und den frieden meiner gegenwart erfährst. ich möchte dir ein neues herz und einen neuen geist geben. ich möchte dass du mit meinem mund sprichst, mit meinen augen siehst, mit meinen ohren hörst und mit meinen händen berührst. alles, was mein ist, ist dein. vertrau mir nur und lass mich dein gott sein!"

auf diese stimme musst du hören. und dieses hören verlangt eine echte entscheidung, die nicht nur dann und wann zu treffen ist, sondern jeden tag und jede nacht. du allein bist es, der entscheidet, wie du denkst, redest und handelst. du kannst dich selber in eine niedergeschlagenheit hineindenken, du kannst dich selbst in eine geringe selbsteinschätzung hineinreden, und du kannst in selbstverneinender weise handeln. aber immer hast du die wahl, im namen gottes zu denken, zu reden und zu handeln und damit auf das licht, die wahrheit und das leben zuzugehen.

indem diese zeit einer geistlichen erneuerung zu ende geht, stehst du wiederum vor einer entscheidung: du kannst diese monate entweder als einen misslungenen versuch, zu neuem leben geboren zu werden, in erinnerung behalten oder als einen kostbaren zeitabschnitt, in dem gott etwas neues in dir begann, das vollendet werden muss. deine zukunft hängt von deiner entscheidung ab, wie du dich an deine vergangenheit erinnerst. entscheide dich für die wahrheit dessen, was du weißt. lass dich nicht von deinen noch vorhandenen emotionen der angst ablenken. indem du dich für gott entscheidest, werden deine emotionen nach und nach ihr rebellieren aufgeben, nicht mehr trügen und wahrheit in dir werden.

dir steht ein wirklicher geistlicher kampf bevor. aber hab keine angst! du bist nicht allein! deine begleiter, die dir während dieser zeit zur seite standen, verlassen dich nicht. ihr gebet und ihr beistand werden dich begleiten, wohin du auch gehst. nimm sie in dein herz, damit sie dich deinen entscheidungen entsprechend führen können.

denk daran: du wirst sicher gehalten. du wirst geliebt. du wirst beschützt. du bist mit gott verbunden und mit denen, die gott dir geschickt hat. was von gott ist, hat bestand. es gehört zum ewigen leben. entscheide dich dafür, und es wird dein sein.

henri j. m. nouwen

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hindernisse auf dem weg zum glück

was ich jetzt sage, mag etwas übertrieben klingen, aber es ist wahr: vor ihnen können die wichtigsten minuten ihres lebens liegen. wenn sie das begreifen, wird ihnen das geheimnis des erwachens mit einem schlag klar. sie werden für immer glücklich, werden nie wieder unglücklich sein. nichts und niemand wird ihnen mehr etwas anhaben können. ich meine das wirklich so: nichts.
es ist, wie wenn jemand schwarze farbe in die luft wirft: die luft wird davon nicht schwarz, luft kann man nicht schwarz anmalen. egal, was ihnen zustößt, es berührt sie nicht. sie behalten ihren frieden. es gibt menschen, die das erreicht haben, was ich "menschlich sein" nenne. lassen sie den unsinn, wie eine marionette einmal hierhin und einmal dorthin gezogen zu werden. lassen sie sich nicht von dem, was passiert, oder anderen leuten vorschreiben, wie sie empfinden sollen. sie fühlen, wie man es von ihnen erwartet, und nennen es "verwundbar sein". für mich heißt das: "eine marionette sein". möchten sie eine marionette sein? ein druck auf den knopf und sie liegen am boden; gefällt ihnen das? doch wenn sie sich weigern, sich mit einem jener etiketten zu identifizieren, werden die meisten ihrer sorgen bald ein ende haben.

wir werden später noch über die angst vor krankheit und tod zu sprechen kommen, doch gewöhnlich drehen sich ihre sorgen um die karriere. ein geschäftsmann um die fünfzig, der kaum zeit hat, trinkt in einer bar ein bier und sagt: "schau dir doch mal meine alten klassenkameraden an, die haben es wirklich geschafft." vielleicht stehen ihre namen in der zeitung. heißt das wohl, es zu "schaffen"? einer ist fabrikdirektor, ein anderer wurde richter; einer wurde dies, ein anderer das. narren, alle miteinander! wer bestimmt denn, was "erfolg haben" bedeutet? die törichte gesellschaft!
die hauptsorge der gesellschaft besteht darin, die gesellschaft krank zu machen. und je eher sie das merken, desto besser für sie. übel dran sind diese leute, und sie haben die richtung verloren. sie wurden direktor der irrenanstalt, und sie sind noch stolz darauf, obwohl das überhaupt nichts bedeutet. direktor einer firma zu sein, hat nichts damit zu tun, erfolgreich zu leben. einen haufen geld zu haben, hat nichts damit zu tun, ob man ein gelungenes leben führt. ihr leben gelingt, wenn sie wach werden! dann müssen sie sich bei niemand mehr entschuldigen, brauchen niemand mehr etwas zu erklären, es ist für sie nicht wichtig, was jemand von ihnen denkt oder über sie erzählt. nichts kann sie mehr quälen; sie sind glücklich. das heißt für mich, erfolgreich zu sein.
ein guter posten, berühmtheit und ein guter ruf haben absolut nichts mit glück oder erfolg zu tun. das ist völlig unwichtig.
in wirklichkeit plagt unseren mann in der bar die frage, was seine kinder wohl von ihm halten, was seine nachbarn von ihm denken, wie seine frau über ihn denkt. er hätte berühmt werden sollen. unsere gesellschaft und kultur hämmern es ihm tag und nacht ein. leute, die es geschafft haben! was geschafft? sich selbst zum narren machen, das hat er geschafft. denn er hat seine ganze energie auf etwas wertloses gerichtet. er ist ängstlich und verwirrt, eine marionette wie alle anderen. sehen sie sich an, wie er über die bühne stolziert. beobachten sie einmal, wie er sich aufregt, wenn er einen fleck auf dem hemd hat. heißt das erfolg?

schauen sie einmal, wie er angst bekommt, wenn er daran denkt, dass er vielleicht nicht wiedergewählt wird. nennen sie das erfolg? er wird durch und durch kontrolliert, manipuliert. ein unglücklicher, bedauernswerter mensch. das leben macht ihm keine freude. er ist ständig unruhig und ängstlich. nennen sie das menschlich?

und wissen sie, warum das so ist? nur aus einem einzigen grund: sie haben sich mit einem bestimmten aufkleber identifiziert, haben ihr "ich" mit ihrem geld oder ihrem job oder ihrem beruf gleichgesetzt. das war ihr irrtum. kennen sie die geschichte vom rechtsanwalt, dem der klempner eine rechnung ausgestellt hatte? er sagte zum klempner: "also hören sie mal, sie verlangen 200,- mark für die stunde. soviel verdiene ich ja als rechtsanwalt nicht." darauf antwortete der klempner: "als ich noch rechtsanwalt war, habe ich das auch nicht verdient!"

ob man klempner, rechtsanwalt, geschäftsmann oder priester ist, berührt das eigentliche "ich" nicht. wenn ich morgen meinen beruf wechseln würde, wäre das so, als wechselte ich meinen anzug. ich selbst bleibe derselbe. sind sie ihre kleider? sind sie ihr name? sind sie ihr beruf? hören sie auf, sich mit alldem zu identifizieren. das alles kann von heute auf morgen anders sein. wenn sie das wirklich begriffen haben, kann sie keine kritik mehr treffen. keine schmeichelei, kein lob wird sie mehr rühren... möchten sie glücklich sein? ununterbrochenes glück hat keine ursache. wahres glück hat keine ursache... glück ist unser natürlicher zustand. glück ist der natürliche zustand kleiner kinder, ihnen gehört das königreich, bis die dummheit der gesellschaft und kultur sie angesteckt und verdorben hat. um das glück zu erlangen, müssen sie gar nichts tun, denn das glück kann man nicht erlangen. wissen sie auch warum? weil wir es schon haben. wie soll man etwas erlangen, was man schon besitzt? aber warum erfahren sie es dann nicht? weil sie zuerst etwas verlieren müssen, und zwar ihre illusionen. sie brauchen nichts zusätzliches, um glücklich zu sein; im gegenteil, sie müssen etwas verlieren. das leben ist leicht, das leben macht spaß. es ist nur hart zu unseren illusionen, ambitionen, ihrer gier, ihren sehnsüchten. wissen sie, woher das alles kommt? daher, dass sie sich mit allen möglichen aufklebern identifiziert haben!

ein mensch

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